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Palazzo der Lüste

Palazzo der Lüste

Titel: Palazzo der Lüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Alberti
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geschrieben und versiegelt hatte, wollte sie seinen Brief wie einen kostbaren Schatz in einer Schublade ihres Schreibtisches bergen. Dorthin, wo schon ein Schreiben Meister Tiepolos lag, in dem er sie noch einmal um einen Besuch in Santa Maria della Pietà gebeten hatte. Als Datum hatte er den 16. September 1754 angegeben – es war der Tag nach Nicolòs Verhaftung. Sie hatte sich erst zwei Tage später wieder daran erinnert und war mit schlechten Gewissen hingegangen. Der Meister hatte sie tüchtig heruntergeputzt, ihr dann aber die Fortschritte seiner Arbeit gezeigt. Die ersten Teile des Deckenfreskos »Aufnahme der Mutter Gottes in den Himmel« waren bereits fertiggestellt, und dann war er auf den Zweck ihres Besuches zu sprechen gekommen. Cecilia klopfte jetzt noch das Herz schneller, wenn sie daran dachte. Ihre Freundin aus Studientagen hatte richtig gesehen.
     
Sie hatte Nicolòs Brief schon auf den anderen gelegt und wollte die Schublade wieder schließen, als sie innehielt. Der Brief war zwar an sie gerichtet, aber durfte sie Donna Sofia das Lebenszeichen ihres Sohnes vorenthalten?
     
Entschlossen trug sie den Brief zu ihr. Donna Sofia lag wie stets in den letzten Tagen mit geschlossenen Augen auf dem Ruhebett, wurde aber wesentlich munterer, als sie den Brief gelesen hatte. Sie schickte nach Piroll, damit er die notwendigen Sachen zusammenpackte, und schrieb dem Notar der Familie ein paar Zeilen, in denen sie um seinen Besuch bat. Raimondo Zorza schrieb sie ebenfalls. Die Vapeurs waren abgeklungen, als hätte sie nie darunter gelitten.
     
Sie stürzte sich so sehr in neue Aktivitäten, dass Cecilia sich still von ihr verabschiedete. Sie würde sich nicht länger im Haus festhalten lassen, sondern tun, was sie schon vor einer Woche hätte tun sollen – die Ermittlungen aufnehmen und Nicolòs Unschuld beweisen. Ihr erster Weg würde sie dazu noch einmal zu Lucrezias Eltern führen.
     
*** Wie bei ihrem Besuch im »Sonnolento Fagiano« wählte sie auch diesmal den späten Nachmittag. Mit einer Mietgondel ließ sie sich über den Canal Grande in den Rio Malpago zur Casa Trebiso rudern. Sie hatte ein einfaches Kleid aus lavendelblauem Batist gewählt, mit dem man keinesfalls zu einer Abendgesellschaft gehen könnte, sie wollte nicht den Eindruck erwecken, auf dem Weg zu einem Vergnügen zu sein.
     
Sie wurde im selben Salon empfangen wie bei ihrem ersten Besuch. Maddalena Trebiso saß auf demselben Sessel, und hätte sie nicht ein anderes Kleid getragen, hätte der Eindruck entstehen können, sie habe sich die ganze Zeit nicht bewegt. Diesmal war Cecilia die einzige Besucherin, und auch der Vater war anwesend.
     
Er erhob sich bei ihrem Eintritt, begrüßte sie aber so frostig, als wäre sie ein aufdringlicher Gläubiger. Es würde nicht leicht sein, ihren Besuch zu einem Erfolg werden zu lassen. Cecilia nahm auf der vorderen Kante eines Stuhles Platz, unentschlossen drehte sie ihren Fächer zwischen den Fingern.
     
»Was verschafft uns die Ehre ihres wiederholten Besuches, Signora Capelli?«
     
So groß konnte die Ehre nicht sein, denn niemand bot ihr eine Erfrischung an. Sie nahm ihr Herz in beide Hände und sprudelte die Sätze, die sie sich zurechtgelegt hatte, heraus.
     
»Ich mache mir Sorgen um Lucrezia, weil sie so lange weg ist, und die Polizei keine Spur von ihr entdeckt hat. Ich will Ihnen meine Hilfe anbieten. Bitte, glauben Sie mir, ich verstehe etwas davon. Auch wenn Ihnen das seltsam erscheinen mag.« Sie hätte gerne noch mehr gesagt, wollte aber nichts über ihre Zeitreise verraten, um nicht für komplett verrückt gehalten zu werden. Deshalb sah sie Lucrezias Eltern nur erwartungsvoll an.
     
Die Mutter sah immer noch so aus, als wäre für sie ihr Eindruck als Trauernde wichtiger als die Trauer selbst. Der Vater dagegen schien zu mehr echten Gefühlen fähig, er fuhr sich mit einer Hand über sein müdes Gesicht und verschob dabei seine Perücke, ohne es zu merken. Erst als seine Frau ihm Zeichen machte, richtete er sie wieder.
     
»Wie wollen Sie uns helfen?«, fragte sie und zückte wieder ihr Taschentuch.
     
»Ich kann nicht genau sagen, ob ich etwas herausfinden werde und was das sein wird. Aber wenn es überhaupt etwas bringen soll, muss ich wissen, was ihre Tochter in den letzten Stunden vor ihrem Verschwinden getan, und wer sie als letzter gesehen hat.« Leicht fand sich Cecilia in die Worte hinein, die sie auf der Polizeischule gelernt hatte. »Außerdem muss ich möglichst

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