Palazzo der Lüste
mir anhören musste, solange ich zurückdenken kann.«
Genau das hatte Donna Sofia zu Cecilia gesagt, weshalb die nun ebenfalls lachen musste und als Antwort nur nicken konnte.
»Carissima, morgen werde ich Sie von meiner Mutter befreien und selbst mit Ihnen fahren.« Sein Daumen streichelte ihr Handgelenk.
Auf diese Weise kamen sie am ersten Tag nicht weiter als bis nach Vincenza. Eine Strecke, für die man im einundzwanzigsten Jahrhundert mit dem Auto nicht mehr als zwei oder drei Stunden benötigt hätte, schätzte Cecilia. Sie stiegen in einer Herberge ab und belegten die besten Zimmer. Cecilia war mit ihrem durchaus zufrieden, es war hell und freundlich – in ihrer Studentenzeit hatte sie auf Reisen weit weniger bequem übernachtet – und nachdem ihre Zofe erst einmal die Reisetasche ausgepackt hatte, fühlte sie sich beinahe heimisch. Donna Sofia dagegen klagte über stickige Luft im Zimmer und schlecht gelüftete Betten und vermutete, dass auch das Essen nahezu ungenießbar sein würde.
Das war es beileibe nicht. Cecilia langte herzhaft zu und hätte hinterher gerne einen Gang durch die Stadt gemacht. Die Kunsthistorikerin in ihr war erwacht, und sie wollte die berühmte Basilika ansehen. Sie war allerdings die Einzige mit diesem Wunsch. Die Herren zogen sich zu Portwein und Kartenspiel zurück – Nicolò schenkte ihr nicht einmal ein Lächeln. Seine Mutter begab sich früh in ihr Zimmer, um neue Kräfte für den morgigen Tag zu sammeln, wie sie mit einem matten Lächeln erklärte.
Cecilia blieb nichts anderes übrig, als es ihr gleich zu tun. Eine vornehme Dame konnte nichts abends allein oder nur in Begleitung ihrer Zofe durch die Stadt spazieren. Tagsüber wäre das etwas anderes gewesen. Ihr blieb deshalb nichts anderes übrig, als in ihrem Zimmer in einem Sessel zu sitzen und in dem Buch über Alexandria zu blättern, bis die Kerze heruntergebrannt war.
*** Nicolò hielt Wort und erklärte am nächsten Morgen: »Heute werde ich in der Kutsche fahren und dem Pferd eine Verschnaufpause gönnen.«
Kategorisch beanspruchte er für sich und Cecilia eines der beiden Gefährte. »Mama, ich werde heute unserer jungen Verwandten Gesellschaft leisten. Sie ermüden sie sonst völlig mit Ihren Klagen über die beschwerliche Reise. Nehmen Sie mit Vianol die zweite Kutsche. Er kann Ihnen ruhig einmal einen Tag lang zuhören, das wird seine Begeisterung für Ihre Grazie abkühlen.«
Gar nicht böse über die barsche Zurechtweisung trippelte Donna Sofia an Vianols Seite. Cecilia kam es zu hart vor, und sie wollte Einspruch erheben. Ein Kniff Nicolòs in ihren Po ließ sie den Mund wieder schließen, bevor sie ein Wort gesagt hatte.
Sofia hatte ihr gegenüber gesessen, aber ihr Sohn nahm ganz selbstverständlich den Platz neben Cecilia ein, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus.
»Braucht die Kehrseite Schonung?«, fragte sie spöttisch.
»Ein Tag im Sattel machen einem Sohn aus einem tollkühnen Seefahrergeschlecht nichts aus. Bei zwei Tagen sieht es da anders aus, deshalb heute die Kutsche.«
Sie lachte. »Kühne Seefahrer.«
Auf den Planken eines Schiffes konnte sie sich ihn nicht vorstellen.
»Lachen Sie nicht, Carissima. Einer meiner Vorfahren war Kommandant eines Schiffes unter dem Generalkapitän Sebstiano Venier und hat an der Schlacht von Lepanto am siebten Oktober 1571 teilgenommen.«
»Das ist beinahe zweihundert Jahre her.«
»Die Männer der Capelli San Benedetto sind stets zur See gefahren. Erst mein Vater hat diese Tradition aufgegeben.«
»Dann gefällt Ihnen das Schwanken der Kutsche vielleicht besser als die Bewegungen des Pferdes.«
»Mir gefällt vor allen Dingen meine Begleiterin zwischen meinen Beinen besser als ein Pferd«, grinste er anzüglich.
Er verglich sie mit einem Pferd. Einen Schmollmund ziehend schwieg Cecilia.
»Was habe ich Falsches gesagt?«, fragte Nicolò mit einem leisen Seufzen.
»Sie haben mich mit einem Pferd verglichen.«
»Mit einer kapriziösen Araberstute.«
Er wollte sie nur ärgern, aber Cecilia konnte nicht anders – sein Verglich war unpassend, und sie spielte weiterhin die Gekränkte. Sie schaute aus dem Kutschenfenster und tat so, als wäre er Luft. Dabei war sie sich seiner Gegenwart überdeutlich bewusst. Die Luft in der Kutsche schien mit Erotik geimpft zu sein.
»Ich hätte auch griesgrämige Füchsin sagen können«, fuhr Nicolò fort und spielte auf ihr
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