Palazzo der Lüste
nur deshalb nahm sie es geduldig hin. Ihr Leben mit Klatsch und Tratsch zu verbringen, entsprach normalerweise nicht ihrem Geschmack. Die üblichen Themen in den Frauenzeitschriften hatte sie immer unerträglich langweilig gefunden, aber anscheinend gab es nichts anderes, womit sich eine edle Venezianerin um 1750 die Zeit vertreiben konnte.
Das seichte Geplauder sorgte aber auch dafür, dass sie in Gegenwart Donna Sofias ihre Scheu verlor und sie als eine Freundin – und nicht mehr als eine Bedrohung – ansah. Sie war zwar immer noch der Meinung, dass Nicolòs Mutter keinen Augenblick an eine entfernte Verwandte aus Alexandria glaubte, das Spiel ihres Sohnes aber mitspielte.
Die Tage in der Villa Capelli vergingen in einem ruhigen Gleichmaß, und wenn die Nächte nicht gewesen wären, hätte Cecilia sich rundherum wohl fühlen können. In den Nächten wälzte sie sich unruhig im Bett, sehnte sich nach Stefano und Nicolò. Wenn sie die Augen schloss, sah sie beide Männer über ihren nackten Leib gebeugt und ihre Glut entfachen. Die gelegentlichen Besuche Nicolós konnten ihre Sehnsucht immer nur für den Moment stillen, und bald danach brannte sie nur noch heller. Er ahnte es, da war sie sich sicher, und es gefiel ihm, sie in einem Taumel der Leidenschaft zu halten.
»Ich habe eine gute Neuigkeit.« Donna Sofia reichte der Jüngeren eine Tasse.
»Signora.« Cecilia ließ sich auf einem Stühlchen nieder. Sie verrührte den Zucker in ihrer Tasse. Am ersten Tag hatte sie nach Milch gefragt und damit großes Erstauen ausgelöst. Offenbar war es in dieser Zeit nicht üblich, den Kaffee mit Milch zu trinken, und seitdem begnügte sie sich mit Zucker.
»Ich habe meinen schlimmen Sohn endlich dazu überredet, diese Einöde zu verlassen.« Sofia thronte auf dem Stuhl, als würde sie im Dogenpalast Hof halten. Sie nippte an ihrem Kaffee und tunkte anschließend einen süßen Kuchen hinein, um zuletzt äußerst elegant an ihm zu knabbern.
Jede dieser Bewegungen zeigte Cecilia, wie viel ihr noch zu einer vollendeten Rokokodame fehlte. Deshalb löste die Nachricht, die Villa verlassen zu müssen, in ihr nicht dieselbe Begeisterung aus.
»So bald schon? Ich dachte, wir würden den ganzen Sommer hier bleiben.« Das Porzellan klirrte, als sie die Tasse absetzte.
»Mein Sohn hat manchmal extravagante Einfälle, aber so schlimm ist es nicht mit ihm. Wollen Sie alles verpassen, was in der Welt passiert? Jetzt habe ich wenigstens Sie zur Gesellschaft, aber vorher haben mich die Männer ganze Tage alleine gelassen. Endlose Stunden voller Langeweile. Wir müssen außerdem Ihre Zukunft planen, meine Liebe. Sie sollten sich wieder verheiraten, das würde alle Probleme lösen. Ich werde für Sie einen standesgemäßen Ehemann finden.« Sie klatschte in die Hände, die Suche nach einem Ehemann entzückte sie. »Dafür sind Sie doch zurückgekommen, und das ist auch ganz richtig so. Ein netter Mann mit einem ansprechenden Vermögen.«
Mit jedem Wort begeisterte Sofia sich mehr für ihren Plan. Cecilia hatte nicht viel mehr gehört, als das Wort »Heirat«. Das Wort versetzte ihr einen gehörigen Schreck. Sie konnte in dieser Zeit nicht heiraten. Und wenn es schon sein musste, dann wollte sie nur einen, für den sie nicht standesgemäß war.
»Ich werde Sie mit den richtigen Leuten bekannt machen«, fuhr Donna Sofia fort. »Bei Ihrer Schönheit wird Ihnen ganz Venedig zu Füßen liegen. Die Männer werden Schlange stehen nach ihrer Hand, und jeder wird auf einen Flirt mit Ihnen aus sein. Ich werde meinen Sohn überreden, Ihnen eine angemessene Mitgift auszusetzen.«
»Nein.« Cecilia konnte es nicht mehr hören. »Das dürfen Sie nicht tun. Ich bin gerade erst Witwe geworden und kann nicht schon wieder heiraten.«
»Liebes Kind, ich weiß nicht, wie das in Ihren Kreisen ist, aber wir sprechen nicht ständig von den Toten. Beten Sie für ihn in der Kirche, aber lassen Sie ihn ruhen. Sie sollen ja auch nicht sofort wieder heiraten, sondern sich umsehen. Letztes Jahr hat eine Freundin von mir zum zweiten Mal geheiratet – wie viel Spaß hatten wir, einen passenden Ehemann für sie zu suchen. Sie werden sehen. Und kein Wort mehr von Ihrem Mann. Mein Sohn hat Sie eingeladen, und deshalb sind wir für Ihr Wohl verantwortlich. Wir reisen in drei Tagen.«
Dazu konnte Cecilia nichts mehr sagen. Sie würde also nach Venedig reisen, und mit Sicherheit war das etwas, das Nicolò von Anfang an für sie
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