Palazzo der Lüste
Gefühle ahnen, hing sie wie eine Klette an Cecilia und gab vor, ihre Freundin sein zu wollen.
Cecilia versuchte sie abzuschütteln, indem sie Enrico Doninis Gesellschaft suchte. Er erlöste sie und lud sie zu einem Spaziergang unter den Bäumen ein.
Die Gesellschaft bestieg erst wieder die Boote, als es dämmerte. Diesmal gelang es Cecilia in eine andere Gondel zu steigen als Lucrezia, und sie erlaubte Donini, den Platz an ihrer Seite einzunehmen.
Die Ruderer hatten am Bug und am Heck jeder Gondel Laternen entzündet. Wie Lichtinseln glitten sie über das Wasser. Es war eine romantische Stimmung, und Cecilia hätte ihren Kopf zu gern an Nicolòs Schulter gelehnt. Donini ließ sie diese Vertraulichkeit nicht zukommen.
»Die junge Lucrezia Trebiso hat Sie angestrengt«, stellte er mit sanfter Stimme fest.
»Sie plappert in einem fort. Nur ein Heiliger bekommt davon keine Kopfschmerzen.«
»Und Sie sind keine Heilige, wollen Sie damit sagen?«
Flirtete er etwa mit ihr? Ein Zittern lief durch ihren Körper, das Donini als Vorwand nahm, ihr fürsorglich ihren Schal um die Schultern zu legen. Danach saß er so dicht neben ihr, dass kein Fingerbreit Platz mehr zwischen ihnen war. Er war ein angenehmer Begleiter, und einem harmlosen Flirt war sie nicht abgeneigt – das geschah Nicolò recht. Deshalb ließ sie ihren Kavalier gewähren.
*** »Sie haben Doninis Herz erobert«, erklärte Donna Sofia tags darauf, als sie mit Cecilia von einem Ball in der Casa Contarini del Bavolo zurückkehrte.
Die beiden Case lagen nicht weit auseinander, und die Damen gingen zu Fuß, begleitet von einem Diener mit einer Laterne. Die Nachtluft strich angenehm kühl über Cecilias vom Tanzen erhitze Haut.
»Bestimmt nicht. Ich unterhalte mich nur gern mit ihm. Er weiß so viel und kennt alle Leute«, wiegelte sie ab.
»Das mag auf Sie zutreffen, auf ihn mit Sicherheit nicht. Er möchte etwas anderes, als sich nur mit Ihnen zu unterhalten. Vertrauen Sie mir, ich kenne die Männer. Enrico Donini ist zurückhaltend, aber wenn er mit einer Frau zweimal an einem Abend tanzt, ist das ein Zeichen von Verliebtheit. Wie oft hat er Sie zum Tanz geführt?«
»Dreimal«, musste Cecilia zugeben.
»Sehen Sie. Sie werden schneller verheiratet sein, als wir alle gedacht haben – einschließlich meines schlimmen Sohnes.«
Nicolòs Erwähnung ließ Cecilia jäh bewusst werden, wie sehr sie ihn vermisste. Er hatte dem Ball nur eine kurze Stippvisite gegönnt, hatte einmal mit der ältesten Tochter der Gastgeberin getanzt und war dann zu einer Kartenpartie mit Freunden aufgebrochen. Er tat das mit Absicht, davon war sie überzeugt. Zuckerbrot und Peitsche.
Obwohl Cecilia auf dem Heimweg todmüde gewesen war, war sie doch hellwach, sobald sie allein in ihrem Schafzimmer im Bett lag. Die Geheimtür fiel ihr ein. Nicolò hatte ihr Vorhandensein behauptet, aber bisher war sie noch nicht benutzt worden. Sie hatte auch noch kein einziges Mal danach gesucht, aber jetzt war der rechte Zeitpunkt dafür – schlafen konnte sie sowieso nicht. Also schwang sie die Beine aus dem Bett und machte sich auf die Suche.
Es gab nur eine Wand, wo sie sich befinden konnte, und an dieser nur eine Stelle hinter einem deckenhohen Gobelin, der die römische Göttin Diana bei der Jagd zeigte. Sie trug dabei nur ihren Bogen und einen hauchzarten Schleier. Hinter dem Gobelin befand sich wie erwartet die Tür. In der Holzvertäfelung der Wand war sie nur als dünne Linie auszumachen. Einen Türgriff oder ein Schloss entdeckte Cecilia nicht, sie musste über einen Geheimmechanismus zu öffnen sein. Sie suchte den Rand mit den Fingerspitzen ab, drückte hoffnungsfroh auf jeden Vorsprung. Nichts rührte sich.
Am Ende stand sie zweifelnd mit der Kerze in der Hand vor der Tür und musste dabei achtgeben, dass der Gobelin kein Feuer fing.
»Das ist doch …« Wütend schlug sie gegen das Holz.
Und oh Wunder der Madonna, sie gab auf einer Seite nach. Es war eine einfache Drehtür, kein geheimer Schließmechanismus. Cecilia schlüpfte hindurch und kam hinter einem ganz ähnlichen Gobelin wie der in ihrem Zimmer heraus. Nur zeigte dieser den Hirtengott mit seiner Flöte inmitten seiner Herde.
Wie erwartet war Nicolò nicht da. Die Bettdecke hatte sein Kammerdiener zurückgeschlagen, aber das Bett war unberührt. Cecilia legte sich auf die Polster und wünschte sich, dass er kommen möge. Über diesen Wunsch musste sie
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