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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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Wasser warf. Er schwamm hinter Beiaard her, holte sie ein und kletterte auf ihren hohen Rücken. Da saß er wie in einem Bett, er öffnete die Arme und ließ Beiaard tun, was sie wollte. So schwimmreitend sah er über das Land hin, das ringsum in regungslosem Sonnenlicht und zitternder Hitze ertrunken lag. Über den gelben Korngarben, die auf allen Seiten in dieser Glut in geraden Reihen standen, kam nur eine Bachstelze langsam dahergeflogen; und nirgends war ein Mensch.
    Das war die Ruhe.
    Aber plötzlich begannen in der sonnenbeschienenen Stille die großen Beginenhofglocken zu läuten, und die summenden Schläge blieben brummend in der warmen Luft hängen. Und da kam Charlot aus dem Garten. Sie war im Staat, glänzend schwarze Seide mit matten Tupfen. Ihre Jacke hatte noch große Schinkenärmel, und der Rock war fließend wie eine Wolke; auf ihrem neuen schwarzen Kapotthut schaukelten an einem Büschel steifer Federn buttergelbe Kügelchen. Am Arm trug sie ein grünes Blecheimerchen, innen rot; darin lagen Birnen, Pflaumen und Korinthenbrötchen und stak eine braune Bierflasche. Sie sah glückselig aus und rief überlaut: »He, Vetter, ich geh. Viele Grüße an Mariechen, und sag, daß ich Sonntag komm! Ich will heut viel zur Mutter Gottes beten, daß ihr glücklich werden möget zusammen!«
    »Was?« rief Pallieter. »Ich will nich durch dich glücklich werden, nur durch mich selber!«
    »Und ich werd doch beten!« sagte sie böse werdend, »und viel beten, so viel, als wie ich kann!«
    Und damit drehte sie sich auf dem Absatz um und ging, ohne sich umzusehen, schnell nach der Kirche, um von da aus in der Prozession die Wallfahrt zur Muttergottes von Scherpenheuvel mitzumachen.
    Sie würde als Heldin angesehen werden heute, denn es war das fünfundzwanzigste Mal, daß sie hintereinander die berühmte Wallfahrt mitmachte; und bei dieser Gelegenheit sollte sie die hohe Gunst genießen, daß man das wundertätige Bild auf ihr Haupt setzen würde. Ihr Mund lachte, und ihr Herz war fröhlich wie ein Vogel...

     
    Pallieter sagte: »Beiaard, wir gehen zu Mariechen, aber erst will ich noch was essen!« Er ließ sich vom Pferd gleiten und schwamm ans Ufer. — Das Wasser stürzte aus seiner Hose wie aus einer Pumpe. Er lief durch den Garten, blieb aber stehen, betroffen von dem feinen Duft und den schönen Farben der Blumen.
    Seht nur die Hunderte von Rosen, faustgroß, aufgerollt und aufgebrochen zu Schneeweiß oder Weinrot, rosig wie der Morgen, oder safrangelb in Milch gebleicht.
    Wer wagt es, die samtenen Stiefmütterchen zu zählen, die dunkellila oder mit einem weiß und gelben Klabautermannsgesichtchen ganze Beete füllten! Rund um den Mühlenhügel stachen ihm die goldenen Sonnenblumen Tränen in die Augen, und aus einer breiten Umrandung von blühenden Geranien sprühte das Springbrünnlein, strahlend wie ein Schwert, seinen Perlenschwanz auseinander. Hier wie buntes Feuerwerk der japanische Rasen, dort leuchtender als Apfelsinen die Kelche der Schwertlilien, und dann, daß man es kaum glauben und nie mehr vergessen konnte, alles beherrschend und überwältigend, die übermütigen roten und orangegelben Kapuzinerkressen in Ranken an der weißen Mauer und um die dicken Obstbäume herum! O Gott, sie waren wie Flammen, die aufzüngelten und aus der Erde herausschlugen.
    Ah, überall war das leidenschaftliche Aufbrechen des schönsten Lebens. Es war zu viel für die Menschen. Und die Düfte, die einem die Seele größer werden lassen! Es war Anfang und Ende alles Glückes. Pallieter wurde das Herz trunken im Leibe, und er sagte mit Bitterkeit: »Was für ein Ochse kann noch nach einem Himmel verlangen, wenn er so etwas sieht!« Er ging hinein und aß und kam wieder mit seinem Dudelsack unter dem Arm; es war das Instrument, in dem er am liebsten seine Seele leben ließ.
    Er schwamm hinüber, setzte sich auf Beiaard, und im Schritt ritten sie über die heißen Stoppelfelder. Die Sonne trocknete seine Kleider, während er, sich mit seinem Dudelsack begleitend, die lustigsten Lieder sang und an Mariechen dachte.
    Die grunzenden Töne summten hoch um ihn her und waren weithin hörbar, und mancher Bauersmann kam an die Tür, um zu lauschen.
    Vor ihm aus einem Graben flog ein Storch geräuschvoll auf. »Petrus!« rief Pallieter. Der große Vogel erkannte ihn sofort und schwebte in großen Kreisen niedrig über ihm her. Seine roten Beine hingen lahm an ihm herunter, und die schwarz und weißen Flügel waren rein wie frisch

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