Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
schrillen Pfiff vom Flur her und darauffolgendes lautes Stimmengewirr.
„Beine breit, vorbeugen und mit den Händen stützen Sie sich da auf!“, befahl die Krankenschwester Tyler im neutralen Ton.
Sie hörten lautes Geschepper und Quintana fluchte. „Verdammt noch mal, geht hier gar nichts ohne mich.“ Er riss die Tür auf und verschwand po l ternd.
Ramon zog ihre Hände zurück. „Haben Sie was versteckt?“
„Nein, ich schwöre es.“
„Dann ziehen Sie sich wieder an!“
Erleichterung machte sich in Tyler breit. Die Ramon, so viel hatte er bereits vor Jahren mitbekommen, war mit Trudy Rowland befreundet. Er fuhr jetzt hastig in seine Klamotten und blieb dann abwartend st e hen.
„Na los, verschwinden Sie schon! Ach und für den Fall, dass Quintana sich danach erkundigt, ich habe selbstverständlich Ihre verdammte Vorhaut u m gekrempelt. Ist das klar?“
Tyler nickte und lief dunkelrot an.
Als er acht Jahre abgesessen hatte, starb Archie. Er wurde neunundsiebzig Jahre alt und war eines Morgens nicht mehr erwacht. Ein friedl i cher Tod, einen den sich jeder wünscht. Tyler hatte große Mühe, seine Trauer in den Griff zu bekommen. Wieder einmal half Trudy Rowland im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten und von den anderen u n bemerkt.
In den letzten beiden Jahren seiner Haftstrafe holte Tyler seinen Highschool - Abschluss nach. Er hatte damals, seiner schlechten Noten wegen, ein Schuljahr wiederholen müssen und dann war der Mord geschehen, so dass er die Schule nie zu Ende gebracht hatte. In Angola konnte man sogar einen College Abschluss machen, doch das wollte Tyler nicht. Dann wäre ihm kaum noch Zeit für seine Musik geblieben. Sein selbst gestecktes Ziel schaffte er mit Bravour. Trudy beglückwünschte ihn d a zu.
Kurz nach seinem siebenundzwanzigsten Geburtstag öffneten sich die Tore von Angola für Tyler James Carmichael. Ein Bus brachte ihn nach Batonrouge. Die Klamotten, die er trug, waren neu und wurden ihm vom Staat Louisiana zur Verfügung gestellt, zusammen mit dem Geld, dass er während der Haft verdient hatte. Nach Jonesville wollte er nicht mehr zurück, deshalb blieb er in Batonrouge. Er hätte es nie für möglich gehalten, aber seine neu erworbene Freiheit machte ihm Angst. In seiner Tasche steckte der Zettel mit dem Namen des Bewährungshelfers, bei dem er sich melden sollte. Dort wartete eine Überraschung auf ihn. Der Sheriff von Jonesville saß im Büro und wartete auf ihn. Der Bewährungshelfer ließ sie beide kurz allein.
„Wie geht´s dir, Tyler?“
„Schätze, ganz gut.“
„Das freut mich für dich. War sicher nicht leicht, da wo du herkommst.“
„Was wollen Sie?“, fragte Tyler.
„Es hat sich ja leider alles bewahrheitet, was du mir damals angedeutet hast. Ich hab´s nicht für möglich gehalten, dass Eddy zu so was im Sta n de wäre.“
„Mir kommen die Tränen“, meinte Tyler verächtlich.
„Ich verstehe deine Reaktion. Du bist oft in meinen Gedanken herum g e spukt.“
„Tatsächlich?“, hakte Tyler zynisch nach.
„Ich bin sogar mal raus gefahren, nach Angola, meine ich. Ist bereits ein paar Jahre her. Ich wollte mit dir reden. Aber dann habe ich es nicht fe r tig gebracht.“
Tyler starrte den Mann an. Der Sheriff reichte ihm ein Kuvert. „Was ist das?“
„Ein Scheck über dreitausend Dollar. Ich habe euer Haus und alles andere verkauft. Dein rechtmäßiger Anteil so zu sagen. Kannst ihn in jeder Bank einlösen. Außerdem habe ich zwei Geldverstecke gefunden, s i cherlich von deiner Mutter. Hundertzwanzig Dollar in einer Büchse in der Küche und vierhundert Dollar in der Garage.“
Tyler glaubte es fast nicht.
„Die hier habe ich auch nicht verkauft.“ Der Sheriff griff hinter sich und zog eine braune Stoffhülle, geformt wie eine Gitarre hervor. „Ich denke, sie g e hört dir.“
Mit bedächtigen Bewegungen nahm Tyler das Instrument an sich, öffnete den Reißverschluss der Hülle und fuhr mit den Fingern beinahe zärtlich über die Rundungen des Holzes. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er schluckte schwer. Ihm fielen Archies Worte wieder ein: „Schau niemals zurück, nur nach vorn!“ und Tyler blinzelte die Tränen fort.
Der Sheriff räusperte sich, dann stand er auf. „Alles Gute, wenn du irgendetwas brauchst, dann ...“
„Das ist nicht nötig, danke.“
Die Auflagen des Bewährungshelfers schienen nicht allzu schwierig. Der Mann hatte Tyler auch einen Zettel mit den Adressen der verschiedenen caritativen
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