Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
Sie war unschön geschwollen und die anhaltende Spannung im Gewebe ließ ahnen, dass damit längst noch nicht Schluss war. Im Geiste sah er sich bereits, aufgeblasen wie einen Luftballon, auf der Titelse i te einer Teenie-Zeitschrift.
Die mütterliche, korpulente, ältere Dame führte ihn in ein Sprechzimmer und wies Norman an, im Warteraum Platz zu nehmen. Tyler hob den Blick und blieb abrupt stehen. Es sah hier aus wie in einem bizarren Domina-Studio oder einer Folterkammer der Inquisition. Nicht, dass er je persönlich in einer dieser Einrichtungen gewesen war. Was sollte er jetzt nur tun?
„Keine Angst, junger Mann. Kommen Sie!“ Bertha schob ihn sanft vorwärts. Da sie so an den Anblick der alten Gerätschaften gewöhnt war, kam ihr gar nicht der Gedanke, dass ein anderer womöglich leicht verstört reagieren könnte. Deshalb zog sie irrtümlich die falschen Schlüsse aus dem vermein t lichen Sträuben des Patienten.
„Langsam Bertha! Er muss sich erst an unsere museumsreife Einrichtung gewöhnen. Ging mir anfangs auch so, Sir. Machen Sie sich nur nichts draus! Ich brauche Ihren Namen, bitte.“
Als sie ihn jetzt ansah, riss Charlotte ungläubig die Augen auf. Der Kuge l schreiber fiel ihr aus der Hand.
„Tyler O´Brian“, murmelten sie beide gleichzeitig.
„Emma - was zum Kuckuck haben Sie sich jetzt wieder ausgedacht?“ Seine Verblüffung war so groß, dass er für einen kurzen Moment seine Zah n schmerzen vergaß.
Bertha blinzelte von einem zum anderen. „Emma?“
„Das tut jetzt nichts zur Sache.“ Charly nahm den Kugelschreiber wieder auf und deutete auf den Behandlungsstuhl. „Nehmen Sie dort Platz, bi t te!“
„Ich bin doch nicht verrückt“, stieß er hervor. Nach kurzem Zögern meinte er: „Tut mir leid. Ich weiß nicht, welche krankhafte Persönlichkeit Ihnen I h re reichhaltige Fantasie da jetzt vorgaukelt, dass...“
„Fehlt Ihnen vielleicht noch etwas anderes?“, unterbrach Bertha ihn und Tylers Kopf schoss herum.
Augenblicklich verzog er sein Gesicht, da eine neuerliche Schmerzatta c ke ihn unvorbereitet traf.
Er atmete tief durch und schloss für eine Sekunde seine Augen. Schließlich sagte er ruhig: „Ich suche einen Zahnarzt. Ich glaubte, mein Man a ger hätte sich verständlich ausgedrückt.“
„Aber Dr. Charlotte Svenson ist promovierte Zahnärztin“, warf Bertha ein. Sie klang ziemlich verwirrt. „Vielleicht verwechseln Sie sie mit jemand anderem“, murmelte sie unschlüssig. „Ich kenne sie von klein an, glauben Sie mir.“
In Tylers Wange rumorte ein Krieg. Er hatte jetzt wirklich nicht den Nerv für solche Diskussionen.
„Stimmt das?“ Er sah nur Charlotte dabei an.
Sie nickte eifrig. „Das ist die Wahrheit. Ich habe in Afrika Entwicklungshilfe geleistet - als Zahnärztin. Letztens in New York hatte ich a n genommen, dass Sie mir das nicht glauben würden.“
Das schien noch immer der Fall zu sein. Da er abermals die Hand an seine Wange presste, nickte sie ihm besänftigend zu. „Ich habe gerade die Praxis meines Großvaters übernommen. Bin noch mitten im Umbau, wie man deu t lich sieht.“
Da er ein leises Stöhnen ausstieß, fuhr sie fort: „Ich könnte zumindest versuchen Ihnen zu helfen. In dieser Gegend finden Sie kaum jemanden, der dazu in der Lage ist. Lassen Sie mich nachschauen!“
Tyler spürte, dass die Grenze dessen, was er aushalten konnte, bedenklich nah gekommen war, er seufzte und setzte sich schließlich auf den Behan d lungsstuhl.
Charlotte streifte sich Untersuchungshandschuhe über und inspizierte mit Hilfe von Mundspiegel und Sonde die vermeintliche Ursache seines Kummers. Dabei hantierte Bertha in seinem Nacken an der Kopfstütze herum um kleine Korrekturen an der Einstellung vorzunehmen. Schließlich legte sie sanft ihre Hände links und rechts gegen seine Schläfen.
Er mochte den Geruch nach Kampfer und Menthol, der über dem Raum zu schweben schien, nicht. Charlotte lächelte ihn besänftigend an und so öffnete er abermals artig den Mund. Ihre Hände begannen schließlich vorsichtig die Schwellung abzutasten.
„Noch sehe ich keine Karies“, erklärte sie ruhig und begann rhythmisch die in Frage kommenden Zähne abzuklopfen. Beim hinteren Ba c kenzahn des Unterkiefers reagierte er heftig.
„Der Weisheitszahn“, sagte sie nur. Dann wandte sie sich an ihre Assistentin. „Ich brauche von 48 eine Röntgenaufnahme. Danach weiß ich s i cher, was zu tun ist.“
Der zweite Satz war wahrscheinlich wieder für ihn
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