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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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arbeitete. Er habe auch gesagt, daß nach dem
Mord an dem Fein Efendi der Verdacht des Oheims auf die Buchmalermeister gefallen
sei, die ihn nachts des Buches wegen aufgesucht hatten. Er habe auch die Bilder
von der Hand dieser Meisterillustratoren gesehen, und nun behaupte er, einer
unter ihnen, der Mörder des Oheims, habe das Abbild des Padischahs gestohlen,
auf dem das meiste Gold verwendet werden sollte. Dieser junge Mann habe den
Mord an dem Oheim zwei Tage lang vor dem Saray, vor dem Schatzmeister des
Sultans verborgen. Da er es in der Zwischenzeit sehr eilig hatte, die Tochter
seines Oheims zu ehelichen und sich in dessen Haus niederzulassen, so daß man
die Rechtlichkeit anzweifeln müsse, falle ihrer beider Verdacht auf Kara.
    »Wenn man Haus und Hof aller meiner
Meister durchsucht und sich das verlorene Blatt bei einem von ihnen findet,
wird sich sofort herausstellen, ob Kara recht hat«, sagte ich. »Wenn es sich
jedoch um meine lieben Kinder, die mit den Wunderhänden, handelt, die ich seit
ihrer Lehrzeit kenne, dann ist bisher keiner unter ihnen, der erbarmungslos
töten könnte.«
    »Wir werden die Häuser, die Höhlen,
die Höfe, falls vorhanden, die Läden und alles, was Olive, Storch und
Schmetterling gehört, bis zum letzten Winkel gründlich durchsuchen«, erklärte
der Gardenoberste und sprach ihre Beinamen, die ich ihnen voller Zuneigung
gegeben hatte, auf mokante Art und Weise aus. »Auch die von Kara ...« begann er,
um dann fortzufahren, als sei es unvermeidlich: »Wir haben in dieser
schwierigen Lage, Allah sei Dank, die Erlaubnis des Kadi Efendi zur Folter
während der Befragung erhalten können. Die Folter sei dem Gesetz nach
gerechtfertigt, hieß es, weil durch den Mord an einer zweiten, der
Illustratorenabteilung nahestehenden Person alle Buchmaler vom Lehrling bis
zum Meister unter dem Verdacht einer vorherigen Straftat stünden.«
    Schweigend überlegte ich: 1. Daß die
Folter gesetzlich gerechtfertigt ist, heißt, die Erlaubnis kommt nicht von
unserem Padischah. 2. Da dem Kadi zufolge alle Illustratoren unter dem Verdacht
einer vorherigen Straftat stehen, beschuldigen sie auch mich, weil ich als
Haupt der Abteilung nicht imstande bin, den Schuldigen zu finden und auszuliefern.
3. Es ist klar, daß sie von mir eine offene oder schweigende Einwilligung
erwarten, bevor sie die Illustratoren meiner Abteilung, meine Lieblinge
Schmetterling, Olive und Storch, die mich in der letzten Zeit hintergangen
haben, zusammen mit den anderen der Folter unterziehen.
    Der Schatzmeister sagte: »Da unser
Padischah nunmehr wünscht, daß nicht nur das Buch der Feste, sondern
auch jenes halbfertige Buch auf die gehörige Art und Weise beendet wird,
befürchten wir, die Foltermeister könnten den Händen, den Augen, ihrer
Fähigkeit Schaden zufügen« – und zu mir gewandt: »Nicht wahr?«
    »Kürzlich erst gab es die gleichen
Befürchtungen«, erklärte der Oberste der Gartengarde grob. »Einer unter den
Goldschmieden und Juwelieren, die Ausbesserungen machen, stahl, vom Teufel zu
kindischem Gelüst verführt, eine Tasse mit rubinbesetztem Henkel, die der
Necmiye Sultan, der Schwester unseres Padischahs, gehört. Der Padischah übergab
mir die Angelegenheit, weil der Diebstahl der heißgeliebten Tasse, über den
seine Schwester in Trauer versank, im Saray von Üsküdar stattfand. Ich hatte
begriffen, daß sowohl er wie auch seine Schwester wegen der Könnerschaft, der
Augen und Finger der Goldschmiede und Juweliere sehr besorgt waren. Also ließ
ich die Juweliermeister sofort entkleiden und mitten zwischen das Eis und die
Frösche des gefrorenen Teichs im Garten werfen. Hin und wieder ließ ich sie
herausholen und mit Rücksicht auf Gesichter und Hände vorsichtig, aber kräftig
durchpeitschen. Nach kurzer Zeit gab der vom Teufel verführte Juwelier seine
Schuld zu und nahm die Strafe an. Trotz des eisigen Wassers, der Kälte und der
vielen Peitschenschläge erlitten die Juweliermeister keinen Schaden an Augen
und Fingern und ihrem Können, weil sie nichts zu verbergen hatten. Der
Padischah sagte mir später sogar, daß seine Schwester sehr zufrieden sei und
die Juweliere, nachdem der faule Samen unter ihnen ausgerottet war, mit
größerem Eifer arbeiteten.«
    Ich war sicher, daß der
Gardenoberste die Altmeister der Buchmalerei härter behandeln würde als die
Juweliere. Selbst wenn er das Vergnügen unseres Sultans an der Fertigung von
Büchern achtete, würde er die Kalligraphie als die eigentlich

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