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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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nach Brot kam aus der Backstube der Gartengarde.
Ich hatte Männer der Gartengarde in ihren roten Uniformen gesehen.
    Der Schatzmeister des Großherrn und
der Oberste der Gartengarde in einem Raum – Engel und Teufel!
    Der Oberste der Garde, der im Garten
des Sarays die Hinrichtungen, Folterungen, Befragungen, Prügelstrafen, das
Ausstechen der Augen und die Bastonade im Namen unseres Padischahs vornimmt,
lächelte mir liebenswürdig zu. Ganz so, als würde mir ein kleiner, schmächtiger
Zimmergenosse, mit dem ich in einer Karawanserei die Zelle teilen muß, eine
nette Geschichte erzählen wollen.
    Doch nicht er, sondern der
Schatzmeister begann zu sprechen:
    »Seine Majestät hat mir vor nunmehr
einem Jahr die Aufgabe zugewiesen, unter strengster Geheimhaltung ein Buch
anfertigen zu lassen, das zu den Geschenken einer Delegation gehören sollte«,
sagte er verschämt. »Und wie es Seine Majestät dieser Geheimhaltung wegen für
unangebracht hielt, den Schriftteil des Buches dem Ersten Großherrlichen
Chronisten, Altmeister Lokman, zu übertragen, so wollte sie auch Euch, dessen
Fähigkeiten sie bewundert, nicht in die Sache hineinziehen. Sie weiß es zu
würdigen, daß Ihr mit dem Festbuch von der Beschneidung der Prinzen zur Genüge
beschäftigt seid.«
    Beim Betreten des Raumes hatte mich
sofort die entsetzliche Vorstellung gepackt, ich sei bei unserem Herrscher
angeschwärzt worden, ein Schuft habe womöglich behauptet, auf diesem Bild
werde etwas beschimpft, auf jenem Bild spotte man seiner, und man würde mich
ungeachtet meines Alters der Folter aussetzen. So kamen mir die Worte des
Schatzmeisters, der mich jetzt beschwichtigen wollte, weil der Sultan einem
anderen als mir den Auftrag zu einem Buch erteilt hatte, süßer als Honig vor.
Mit der Geschichte des Buches, der ich zuhörte, war ich mehr als vertraut und
erfuhr nichts Neues. Ich kannte auch die Gerüchte, kannte den Nusret Hodscha
von Erzurum und natürlich auch die Streitereien in der Buchmalerwerkstatt.
    Nur um eine Frage zu stellen, wollte
ich wissen, wer das Buch anfertigte, obwohl mir die Antwort bekannt war.
    »Der Oheim Efendi, wie Ihr wißt«,
antwortete der Schatzmeister des Großherrn, blickte mir in die Augen und fügte
hinzu: »Wußtet Ihr, daß er nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern
ermordet worden ist?«
    »Ds wußte ich nicht«, sagte ich
schlicht und einfach wie ein Kind und schwieg.
    »Seine Majestät ist sehr erzürnt«,
erklärte der Schatzmeister.
    Dieser Oheim Efendi genannte
halbgescheite Wirrkopf! Die Illustratoren machten sich einen Spaß und belächelten
ihn, wenn von ihm die Rede war, weil er weniger wissend als nacheifernd und weniger
klug als beflissen war. Während der Beisetzung hatte ich ohnehin das Gefühl
gehabt, daß irgend etwas nicht stimmte. Wie war er wohl umgebracht worden?
    Der Schatzmeister schilderte, wie es
sich zugetragen hatte. Entsetzlich! O Allah, schütze uns! Wer war es?
    »Der Padischah hat befohlen, daß
auch dieses Buch, wie das von der Beschneidungsfeier, so rasch wie möglich
beendet werden soll ...« sagte der Schatzmeister.
    »Und es gibt noch einen zweiten
Befehl«, fiel der Oberste der Gartengarde ein. »Falls der Mörder zur Mannschaft
der Illustratoren gehört, soll dieser ekelhafte, heimtückische Teufel gefunden
werden. Ihm wird eine solche jedem zur Lehre gereichende Strafe erteilt werden,
daß niemand mehr sich mit dem Gedanken tragen wird, das Buch unseres Padischahs
zu vereiteln und einen Illustrator umzubringen.«
    Ein freudiger Zug zeigte sich auf
dem Gesicht des Obersten der Gartengarde, als wisse er, welche furchtbare
Strafe unser Sultan über den Schuldigen verhängen würde.
    Ich begriff, daß unser Padischah den
beiden ihre Aufgaben ganz neu und zu gleicher Zeit übertragen und sie zum
gemeinsamen Vorgehen in einer Angelegenheit gezwungen hatte, die sie schon
jetzt offen verabscheuten, und ich spürte eine Zuneigung zu dem Herrscher, die
über Bewunderung hinausging. Ein Page brachte Kaffee, und wir ließen uns
nieder.
    Es gebe da einen Neffen, den der
Oheim Efendi herangezogen habe, der sich aufs Illustrieren und auf Bücher
verstehe: Kara. Ob ich ihn wohl kannte? Ich schwieg. Der sei vor kurzem auf
Einladung seines Oheims aus dem Dienste des Serhat Pascha von der persischen
Grenze nach Istanbul zurückgekehrt (der Gardenoberste deutete Zweifel an in
seinem Blick), sei hier seinem Oheim sehr nahegekommen und habe die Geschichte
des Buches erfahren, an dem jener

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