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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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»Der
zuerst ›ich‹ sagte, war der Satan! Der einen Stil hat, ist der Satan,
auch wer Ost und West voneinander trennt, ist der Satan!«
    Ich schloß die Augen und malte den
Satan, wie es mir meine Vorstellung eingab, auf das grobe Papier des meddah. Und während ich malte, kicherten der meddah und sein Lehrling, die
anderen Buchmaler und die Neugierigen und stachelten mich an.
    Meint ihr, ich habe einen Stil, oder
kommt das nur von dem Wein?

47
  Ich, Satan
    Ich mag den Duft von roten Pfefferschoten, in
Olivenöl gebraten, den Regen, der im Morgengrauen auf das ruhige Meer fällt,
das unerwartete Erscheinen einer Frau an einem offenen Fenster, die Stille,
das Denken und die Geduld. Ich glaube an mich selbst und gebe im allgemeinen
nichts auf das, was mir nachgesagt wird. Heute abend jedoch bin ich in dieses
Kaffeehaus gekommen, um meine Brüder, die Illustratoren und Kalligraphen, vor
manchen Gerüchten, Lügen und Redereien zu warnen.
    Natürlich ist mir klar, daß ihr euch
darauf einrichtet, das Gegenteil von dem zu glauben, was ich sage, allein weil
ich es bin, der spricht. Doch ihr seid vernünftig genug zu ahnen, daß nicht
immer ganz das Gegenteil dessen richtig ist, was ich sage, und scharfsinnig
genug, mich ganz genau anzuhören, damit ihr nicht getäuscht werdet. Ihr wißt,
daß mein Name, der zweiundfünfzigmal im Koran erscheint, einer der
meistgenannten ist.
    Nun gut, laßt uns mit dem Buch
Allahs, dem Koran, beginnen. Alles stimmt, was dort über mich geschrieben
steht. Ich sage dies in aller Bescheidenheit und möchte, daß man es weiß. Denn
da ist noch die Sache des Stils. Wie ich im Koran erniedrigt werde, war immer
sehr schmerzlich für mich. Dieser Schmerz ist mein Lebensstil. Darüber
diskutiere ich nicht.
    Ja, Allah hat den Menschen vor
unseren Augen erschaffen. Dann verlangte er, wir sollten uns vor ihm, vor Adam,
niederwerfen. Ja, wie es in der Sure Al-Araf steht, verehrten ihn alle Engel,
während ich mich weigerte. Ich gab zu bedenken, daß Adam nur aus Lehm, ich
aber, wie doch jeder weiß, aus dem Feuer, einem höheren Element, erschaffen
worden war. So beugte ich mich nicht vor dem Menschen. Und Allah befand mich
für »hochmütig«.
    »Hinab mit dir aus dem Paradies«,
befahl er. »Es steht dir nicht zu, hier Größe zu beweisen.«
    »Gib mir Aufschub bis zum Jüngsten
Tag, bis die Toten auferstehen«, bat ich.
    Er gewährte mir die Bitte. Ich aber
sagte, ich würde in dieser Zeit die Nachkommenschaft Adams abbringen von ihrem
Weg, denn er war der Anlaß für meine Bestrafung gewesen. Und Allah antwortete,
er werde alle, die ich vom Wege abbrächte, in die Hölle verbannen. So haben
wir es beide seitdem gehalten, wie euch bekannt ist. Dazu gibt es kaum noch
etwas zu sagen.
    Manch einer behauptet, Allah der
Allmächtige habe damals mit mir eine Abmachung getroffen. Dieser Behauptung
nach sei ich der Helfer Allahs, um seine Knechte zu prüfen, um sie in
Versuchung zu führen: Die Guten gehen entschlossen ihren Weg, die Bösen geben
ihren Begierden nach, sündigen und fahren zur Hölle. Was ich tat, war wichtig,
denn man könne niemandem mehr Furcht einflößen, wenn jeder ins Paradies komme,
die Angelegenheiten der Welt und des Staates könnten niemals nur von den Guten
geleitet werden, und es müsse im Universum gleichermaßen Gutes wie Böses, gute
Werke wie Sünden geben. Daß ich »der Böse« bin und man mir niemals meine Rechte
einräumt, obwohl doch Allahs Ordnung nur durch mich und mit Erlaubnis des
Allmächtigen entstanden ist (warum hätte er mir sonst die Lebensfrist bis zum
Jüngsten Tag gegeben?), wurde für mich zum geheimen Schmerz. Solche wie Mansur
der Wollschläger, der diese Vorstellung bis zum Ende durchdachte, oder auch
Ahmet Gazzali, der jüngere Bruder des berühmten Imam Gazzali, haben die Sache
so weit getrieben, daß sie in ihren Schriften sagten, da sie mit Allahs
Erlaubnis und Willen geschähen, seien auch die durch mich begangenen Sünden
etwas von Allah Gewolltes, es gebe kein Gut und Böse, denn alles komme von
Allah, und auch ich sei ein Teil von Ihm.
    Einige dieser unverständigen
Menschen sind zu Recht mitsamt ihren Büchern auf dem Scheiterhaufen verbrannt
worden. Denn es gibt natürlich Gut und Böse, und wir alle müssen die Grenze
ziehen zwischen ihnen, ich bin – der Himmel bewahre! – nicht Allah und habe
jenen Toren diesen Unsinn nicht in den Kopf gesetzt, sie sind von selbst darauf
gekommen.
    Was mich zu meinem zweiten
Widerspruch führt: Ich

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