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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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Gemüsegärten von Langa
führt. Oberhalb dieses schlammigen Weges lag ein Viertel, das einmal bessere
Zeiten gesehen hatte, und hier betrat Kara eine noch offene Barbierstube. Ich
sah, wie er mit einem Meister sprach, der im Schein der Öllampe von einem
Jungen mit frischem Gesicht und schönen Händen rasiert wurde. Bald darauf
gesellten sich der Barbier, sein hübscher Lehrling und in Aksaray noch zwei
weitere Männer zu uns. Sie hielten Schwerter und Äxte in den Händen. Und in
einer Seitengasse von Şehzadebaşı
stieß in der Dunkelheit noch ein Medresenstudent samt seinem Schwert zu uns,
dem ich niemals zugetraut hätte, ein Raufbold zu sein.
    »Wollt ihr am hellichten Tage mitten
in der Stadt ein Haus überfallen?« fragte ich.
    »Nicht am Tag, in der Nacht«, gab
Kara eher selbstzufrieden als scherzhaft zurück.
    »Trau dir nicht zuviel zu, nur weil
du einen Haufen Männer zusammengeholt hast«, warnte ich ihn. »Laßt euch nicht
von den Janitscharen erwischen, wenn ihr so als vollbewaffnete Armee herumwandert!
«
    »Niemand erwischt uns.«
    »Gestern haben die Leute des
Erzurumers zuerst eine Schenke und hinterher das Haus der Cerrahi-Derwische
überfallen und jeden verprügelt. Ein Alter, dem man ein Holzscheit über den
Schädel gezogen hat, ist gestorben. In dieser Finsternis könnte man annehmen,
ihr gehört zu ihnen.«
    »Du bist, wie ich hörte, zum Haus
des verstorbenen Fein Efendi gegangen, hast bei seiner Frau, Allah vergelt's
ihr, die tintenverschmierten Pferde gesehen und Şeküre Nachricht gegeben.
Fein Efendi muß sich wohl sehr viel mit den Männern des Predigers von Erzurum
abgegeben haben.«
    »Wenn ich mich in jenem Haus etwas
umgehört habe, dann war es mit dem Gedanken, daß es meiner armen Şeküre
helfen könnte«, sagte ich. »Außerdem bin ich nur dorthin gegangen, um die neuen
Stoffe zu zeigen, die mit dem flämischen Schiff eingetroffen sind, und nicht
etwa, um in eure juristischen oder politischen Händel hineingezogen zu werden,
die mein armer Judenverstand sowieso nicht begreift.«
    »Du bist sehr klug, Frau Ester!«
    »Und weil ich das bin, sage ich dir
jetzt dies: Die Anhängerschaft des Erzurumer Predigers wird noch ausfallender
werden und noch mehr Menschen Leiden bringen. Nehmt euch vor ihnen in acht!«
    Als wir die Straße hinter Çarşıkapı erreichten, schlug mein Herz
schneller vor Angst. Die kahlen, nassen Zweige der Kastanien und Maulbeerbäume
glänzten im fahlen Licht des halben Mondes. Ein Wind, von Dämonen und
Gespenstern geblasen, ließ die Spitzen am Rand meines Bündels flattern, pfiff
durch die Bäume und trug den Geruch unseres Häufleins sämtlichen Straßenhunden
zu, die in dem Viertel auf der Lauer lagen. Während sie einzeln und paarweise
zu bellen begannen, zeigte ich Kara das Haus. Einen Augenblick lang schauten
wir zu dem dunklen Dach und den Fensterläden hin. Dann stellte Kara seine
Männer in der Umgebung des Hauses, im leeren Garten, rechts und links vom
Hoftor und an der Rückseite hinter den Feigenbäumen auf.
    »In dem Durchgang dort gibt es einen
gemeinen tatarischen Bettler«, sagte ich. »Obwohl er blind ist, weiß er besser
als der Gemeindevorsteher, wer in dieser Straße ein und aus geht. Er ist ständig
dabei, sich wie die Affen unseres Sultans selbst zu befriedigen. Gebt ihm acht
oder zehn Asper, ohne daß euch seine Hand berührt, dann erfahrt ihr alles von
ihm.«
    Ich sah von weitem zu, wie Kara dem
Tataren zuerst die Münzen gab, ihm dann sein Schwert an die Kehle drückte und
ihn mit Fragen bedrängte. Wie es geschah, weiß ich nicht, aber dann begann der
Barbiergehilfe, von dem ich glaubte, er beobachte das Haus, den Tataren mit dem
Griff seiner Axt zu prügeln. Er würde wohl gleich aufhören damit, meinte ich,
und schaute ein wenig zu, doch der Tatar weinte. Da lief ich hin und zog ihn
fort, damit er nicht umgebracht wurde.
    »Er hat meine Mutter beschimpft«,
erklärte der Barbiergehilfe.
    »Er meint, Hasan sei nicht zu
Hause«, sagte Kara. »Stimmt es, was dieser Blinde sagt?« Dann hielt er mir ein
Briefchen hin, das er an Ort und Stelle geschrieben hatte. »Bring das ins Haus,
gib es Hasan oder, wenn der nicht da ist, seinem Vater«, forderte er mich auf.
    »Hast du Şeküre nichts geschrieben?«
fragte ich, während ich die Mitteilung entgegennahm.
    »Wenn ich auch ihr einen Brief
schreibe, dann regen sich die Männer in diesem Haus noch mehr auf«, sagte Kara.
»Sag ihr, ich habe den schurkischen Mörder ihres Vaters

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