Pamuk, Orhan
Bedingungen!« Sie
schwieg eine Weile. »Er muß Şevket und Orhan gut behandeln. Er wird von
mir keine Rechenschaft darüber verlangen, daß ich hier untergeschlüpft bin. Und
er muß sich an unsere Eheabmachungen halten, die er kennt. Gestern nacht hat er
mich ganz allein zu Hause gelassen, ich war Mördern, Dieben, Bösewichten und
Hasan ausgesetzt.«
»Den Mörder deines Vaters hat er
noch nicht gefunden, doch ich sollte dir sagen, er weiß, wer es ist.«
»Soll ich zu ihm gehen?«
Bevor ich antworten konnte, erklärte
der alte Schwiegervater, der den Brief schon längst gelesen hatte: »Sagt dem
Herrn Kara, ich könne es ohne meinen Sohn nicht verantworten, meine Schwiegertochter
zu ihm zurückzuschicken.«
»Welcher Sohn?« fragte ich, um boshaft
zu sein, doch im sanften Ton.
»Hasan«, sagte er und schämte sich
als anständiger Mann. »Mein ältester Sohn soll aus dem Land der Perser
zurückkommen, es gibt Zeugen dafür.«
»Wo ist Hasan?« fragte ich und aß
zwei Löffel von der Suppe, die Şeküre mir angeboten hatte.
»Er wollte beim Zollamt Schreiber,
Lastenträger und andere Männer zusammenholen«, erklärte er auf die naive Art
der guten, aber dummen Menschen, die keine Lüge über die Lippen bringen. »Nach
dem, was die Leute des Erzurumers gestern angestellt haben, werden heute nacht
die Janitscharen auf den Straßen sein.«
»Wir haben keine Spur von ihnen
gesehen«, sagte ich und ging zur Tür. »Ist das dein letztes Wort?«
Diese Frage hatte ich dem
Schwiegervater gestellt, um ihm angst zu machen, aber Şeküre verstand ganz
genau, daß sie ihr galt. War sie wirklich so durcheinander, oder wollte sie
etwas verbergen, zum Beispiel, daß sie auf die Rückkehr von Hasan und seinen
Männern wartete? Im Grunde genommen war ich zufrieden und begriff, daß mir ihre
Unentschlossenheit gefiel.
»Wir wollen Kara nicht haben«,
erklärte Şevket mutig. »Und du, Dicke, komm nicht noch einmal hierher!«
»Aber wer wird dann deiner schönen
Mutter die Spitzendecken, die mit Blumen und Vögeln verzierten Taschentücher
bringen, die sie so liebt, oder die roten Hemdenstoffe, die du so magst?«
fragte ich und legte mein Bündel mitten ins Zimmer. »Macht es auf, seht nach,
zieht an, steckt euch an, was euch gefällt, schneidet zu und näht, was ihr
mögt, bis ich wiederkomme.«
Ich war traurig, als ich hinausging.
Niemals hatte ich Şeküres Augen so voll Tränen gesehen. Kaum hatte ich
mich draußen wieder an die Kälte gewöhnt, als Kara mich mit dem Schwert in der
Hand auf dem morastigen Weg anhielt.
»Hasan ist nicht im Haus«, sagte
ich. »Vielleicht ist er zum Markt gegangen, um Wein zu kaufen und Şeküres
Rückkehr zu feiern. Vielleicht aber wird er gleich mit seinen Männern
herkommen, wie sie sagen. Dann werdet ihr aufeinander losgehen, denn er ist verrückt.
Besonders, wenn er das rote Schwert zur Hand nimmt.«
»Was hat Şeküre gesagt?«
»Der Schwiegervater meint, nein, es
geht nicht, ich kann meine Schwiegertochter nicht hergeben, aber nicht um ihn,
sondern um Şeküre solltest du dich sorgen. Deine Frau ist durcheinander
und, wenn du mich fragst, zwei Tage nach dem Mord an ihrem Vater hierher
zurückgekommen, weil ihr klar wurde, daß ihr die Angst vor dem Mörder sowie
Hasans Drohungen und dazu noch dein Verschwinden ohne jede Nachricht zuviel
sein und sie eine weitere Nacht mit diesen Ängsten in demselben Haus nicht mehr
durchhalten würde. Außerdem hat man ihr erzählt, du hättest etwas mit dem Mord
an ihrem Vater zu tun. Aber daß ihr früherer Ehemann wiedergekommen ist – nichts davon! Şevket hat Hasan die Lüge geglaubt, scheinbar auch der
Schwiegervater. Şeküre ist geneigt, zu dir zurückzukommen, doch sie stellt
Bedingungen.«
Ich blickte Kara gerade in die Augen
und zählte sie auf. Er war sofort damit einverstanden, und zwar auf so
förmliche Art, als rede er mit einem wirklichen Botschafter.
»Auch ich habe eine Bedingung. Ich
gehe jetzt wieder ins Haus«, erklärte ich und zeigte auf die hölzernen
Fensterläden, hinter denen der Schwiegervater saß. »Hier und an der Tür greift
ihr ein bißchen später an. Wenn ich schreie, hört ihr auf. Und wenn Hasan
kommt, geht ohne Zögern auf ihn los.«
All diese Worte ziemten sich
natürlich nicht für einen Botschafter, der für die Botschaft selbst nicht
verantwortlich sein sollte, aber die Ester ließ sich einfach mitreißen. Sowie
ich diesmal »Hausiererin!« rief, ging auch schon die Tür auf. Ich trat gleich
vor
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