Pamuk, Orhan
ausgefallen sein, und er soll, wie die schönen Knaben sagen, die in
seine Nähe kamen, so übel aus dem Munde riechen – entschuldigt bitte wie der
Hintern eines Bären.
Nun gut, Schluß jetzt mit dem Gerede
und zurück zu dem, was mich eigentlich bewegt: Sobald ich begriff, wie schön
ich war, wollte ich auf keinen Fall mehr Wäsche und Geschirr waschen und in den
Straßen herumlaufen wie eine Sklavin. Armut, Tränen und Trostlosigkeit, immer
wieder in den Spiegel schauen und vor Enttäuschung weinen ist Sache der
häßlichen Frauen. Ich mußte einen Ehemann finden, der mich auf Händen trug,
aber wer von ihnen war das?
Also begann ich, durch das Loch in
der Wand die Söhne der Paschas und Vornehmen zu beobachten, die mein seliger
Vater unter allerlei Vorwänden ins Haus einlud. Ich wollte, daß meine Lage der
jener wohlbekannten schönen Frau mit dem kleinen Mündchen und zwei Kindern
gleicht, in die alle Illustratoren verliebt sind. Gut wär's, euch die
Geschichte der armen Şeküre zu schildern. Doch nein, ich hatte ja
versprochen, am Mittwoch abend folgendes zu erzählen:
DIE LIEBESGESCHICHTE, DIE DER TEUFEL
DIE FRAU ERZÄHLEN HIESS
Im Grunde genommen ist die Geschichte sehr
einfach. Sie spielt in Kemerüstü, einem der ärmeren Viertel von Istanbul. Herr
Ahmet, einer der maßgebenden Leute des Viertels, Sekretär bei Vasif Pascha, war
ein zurückhaltender, feiner Mann, verheiratet, mit zwei Kindern. Eines Tages
fiel sein Blick durch das offene Fenster auf eine schöne, schlanke, hochgewachsene
Bosnierin mit schwarzem Haar, schwarzen Augen und silberschimmernder Haut, und
er erglühte in Liebe zu ihr. Doch die Frau war verheiratet, wollte nichts von
dem Herrn wissen, liebte ihren stattlichen Ehemann. So konnte der arme Herr
seinen Kummer niemandem mitteilen, wurde von der Liebe aufgezehrt, bis er nur
noch Haut und Knochen war, kaufte beim Griechen Wein und betrank sich, konnte
aber schließlich seine Liebe vor den Nachbarn nicht mehr geheimhalten. Sie
respektierten zuerst seine Liebe, weil sie für solche Geschichten schwärmten
und den Herrn mochten und achteten, scherzten gelegentlich und sahen darüber
hinweg. Als aber der Mann seines hoffnungslosen Liebesleidens nicht Herr
werden konnte, jeden Abend betrunken vor der Tür des Hauses saß, in dem die
silberhäutige Schöne glücklich mit ihrem Ehemann lebte, und lange wie ein Kind
bittere Tränen vergoß, da wurde ihnen die Sache unheimlich. Sie konnten den
Verliebten, wenn er jeden Abend schmerzlich weinend dasaß, weder verprügeln
und davonjagen noch ihn trösten. Denn der Herr blieb Herr, ließ nichts an sich
herankommen und weinte schließlich nur noch innerlich. Ganz allmählich
durchdrang sein hoffnungsloser Kummer das ganze Viertel, wurde zu jedermanns
Kummer und Unglück, er vertrieb allen Frohsinn und wurde zu einer Quelle der
Trauer wie der in unaufhörlicher Klage dahinfließende Brunnen auf dem Platz.
Zuerst machte das Wort von der Trauer im Viertel die Runde, später das des
Unheils und dann der Gedanke der Unfruchtbarkeit, der sich schließlich
festsetzte. Manche zogen in andere Viertel, für einige liefen die Dinge zu
ihrem Nachteil, und anderen wieder mißlang ihr Handwerk, weil sie Lust und
Liebe dazu verloren hatten. Als dann eines Tages auch der liebeskranke Herr
mit Frau und Kindern fortzog, nachdem sich das ganze Viertel geleert hatte,
blieben die silberhäutige Schöne und ihr Ehemann ganz allein zurück. Das
Verhängnis, dessen Anlaß sie gewesen waren, hatte ihre Liebe ausgelöscht und
sie innerlich getrennt. Sie blieben zusammen bis zum Ende ihres Lebens, doch
sie konnten niemals mehr glücklich werden.
Ich wollte gerade sagen, daß mir
diese Geschichte sehr gefällt, weil sie schildert, wie gefährlich die Liebe und
die Frauen sind, aber – fast hätte ich's vergessen, meine Güte, hab ich jetzt
den Verstand verloren? – nachdem ich nun selbst eine Frau bin, sollte ich etwas
anderes sagen. Nun gut, dies vielleicht:
Ach, wie
schön ist doch die Liebe!
Wer aber
sind diese Fremden,
die da zur Tür hereinstürzen?
55
Man nennt mich Schmetterling
Sowie ich den Auflauf erblickte, war mir
klar, daß die Leute des Erzurumers drauf und dran waren, uns Spottvögel, die
Illustratoren, umzubringen.
Auch Kara war unter der
Menschenmenge, die dem Überfall zuschaute. Er hielt einen Dolch in der Hand,
war von einem Häuflein merkwürdig anzusehender Männer, der bekannten
Hausiererin Ester und anderen Frauen mit ihren Bündeln in
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