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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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haben Altmeister Osman und ich die Wunderwerke der alten
Meister in der Schatzkammer betrachtet.«
    Lange schwieg ich still, um dann
schließlich fast schreiend zu sagen: »Der Illustrator mag nach einem gewissen
Alter sogar mit Behzat gemeinsam vor demselben Arbeitspult sitzen, es wird höchstens
sein Auge erfreuen, seiner Seele Frieden und Begeisterung geben, nicht aber
sein Talent bereichern. Denn gemalt wird nicht mit dem Auge, sondern mit der
Hand, und die Hand lernt selbst in meinem Alter nur noch schwer, ganz zu
schweigen, wenn man im Alter Meister Osmans ist.«
    Ich war sicher, daß meine hübsche
Frau auf mich wartete, und ich sprach deshalb so laut, damit sie merkte, daß
ich nicht allein war, und eine Begegnung mit Kara vermied, keineswegs aber,
weil ich diesen armen, selbstgefälligen Toren mit dem Dolch in der Hand ernst
nahm.
    Als wir durch das Hoftor traten, war
es mir, als hätte ich den Schein einer Lampe gesehen, der sich durch das Haus
bewegte, doch jetzt war, dem Himmel sei Dank, drinnen alles dunkel. Daß dieses
dolchbewehrte Tier mit Gewalt in mein paradiesisches Heim eindrang, in dem ich
meine Tage und all meine Zeit mit der Suche nach den Erinnerungen Allahs und,
wenn meine Augen müde waren, die schönsten Liebesstunden mit der Schönsten der
Welt, meiner Geliebten, verbrachte, war eine so gnadenlose Verletzung meines
intimen Lebens, daß ich an Kara Rache zu nehmen schwor.
    Er hielt die Lampe über meine
Papiere, über eine beinahe fertige Seite – verurteilte Schuldner empfangen den
Gnadenerweis des Sultans, den sie um Befreiung von ihren Ketten anflehten –, inspizierte
meine Farben, Arbeitsständer, Messer, die Täfelchen zum Spitzen der Rohre, die
Pinsel, alles, was mein Schreibpult umgab, und wieder meine Papiere,
Glättemuscheln, Spitzmesser, schaute zwischen die Schachteln für Stifte und
Papiere, in den Kasten am Boden, in die Truhen, unter die Kissen, auf eine
meiner Papierscheren, unter das weiche rote Sitzkissen und sogar unter den
Teppich, ging herum, hielt die Lampe dichter heran und prüfte die gleichen
Stellen noch einmal. Wie er angekündigt hatte, als er zuerst den Dolch zog,
durchsuchte er nicht mein Haus, sondern nur meine Werkstube. Als ob ich das,
was ich verbergen wollte, nicht in jenem Zimmer hätte verbergen können, von dem
aus meine Frau uns jetzt beobachtete!
    »Da ist ein letztes Bild für das Buch,
das mein Oheim zusammenstellte«, sagte er. »Wer ihn umbrachte, hat das Bild
gestohlen.«
    »Es unterschied sich von den
anderen«, erklärte ich sofort. »In eine seiner Ecken ließ mich dein seliger
Oheim einen Baum malen. Irgendwo im Hintergrund ... In der Mitte und im
Vordergrund sollte das Bildnis einer Person stehen, wahrscheinlich die Abbildung
unseres Padischahs. Ein großer Raum war dafür freigelassen, doch es ist nicht
ausgeführt worden. Weil die Gegenstände im Hintergrund auf diesem Bild verkleinert
wurden, wie es die Franken machen, sollte ich auch den Baum kleiner malen. Je
weiter die Arbeit fortschritt, desto mehr ließ sie den Eindruck entstehen, man
schaue nicht auf eine Illustration, sondern durch ein Fenster auf die Welt
hinaus. Daraus erkannte ich auch, daß die Umrandung und die Illumination auf
einem nach fränkischer Art perspektivisch gemalten Bild die Stelle eines
Fensterrahmens einnehmen.«
    »Die Umrandung und die Illumination
waren Fein Efendis Arbeit.«
    »Falls du das fragst, so sagte ich
dir bereits, daß ich ihn nicht umgebracht habe.«
    »Ein Mensch gibt doch nicht zu, daß
er einen Mord begangen hat«, sagte er hastig und fragte mich, was ich während
des Überfalls auf das Kaffeehaus dort getan hätte.
    Er hatte die Öllampe nahe dem Kissen,
auf dem ich saß, zwischen meinen Papieren und den Seiten, die ich gerade
bemalte, so aufge stellt, daß sie mein Gesicht beleuchtete. Er selbst aber
huschte in der Dunkelheit des Zimmers schattenhaft umher.
    Außer dem, was ich euch erzählt
habe, nämlich, daß ich selten in das Kaffeehaus ging und dort nur zufällig
vorbeigekommen war, sagte ich noch, zwei der dort aufgehängten Bilder stammten
von mir, doch im Grunde genommen gefalle mir nicht, was sich in dem Kaffeehaus
abspielte. »Denn«, so fügte ich hinzu, »sobald das Illustrieren seine Kraft
aus der Verachtung und dem Wunsch nach Bestrafung der Schlechtigkeiten des
Lebens schöpft, nicht aber aus dem Talent des Künstlers, der Liebe zum Malen
und dem Wunsch nach der Vereinigung mit Allah, verachtet und bestraft sie am
Ende sich

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