Pamuk, Orhan
Vergnügen an, drehte mich um und hieß Schmetterling, als
wäre er ein Page, ihn hinten ordentlich festzubinden und auch die Achselstücke
anzubringen. Dann zog ich die Armschienen und die Handschuhe über, legte den
Schwertgürtel aus Kamelhaar an, und als ich schließlich den für Zeremonien
bestimmten Helm mit Goldfadenschmuck aufsetzte, erklärte ich stolz, daß
Kampfszenen von nun an nicht mehr wie früher dargestellt würden. Es gehe nicht
mehr an, sagte ich, daß man die Reitertruppen zweier Heere, die sich,
gleichmäßig aufgereiht, gegenüberstehen, nach dem gleichen Muster einmal von
hinten, einmal von vorn gesehen abbilde. Von nun an würden die Kampfszenen in
den Buchmalerwerkstätten des hochgeborenen Osmanen so dargestellt werden, wie
ich sie gesehen und abgebildet hatte, das heißt, als ein wildes Durcheinander
von Heeren, Pferden, Rüstungen und blutüberströmten Toten.
»Der Illustrator malt nicht, was er
selbst, sondern was Allah sieht«, erklärte Schmetterling neidisch.
»Ja«, erwiderte ich, »aber Allah der
Allmächtige sieht ohnehin das, was wir sehen.«
»Natürlich sieht Allah das, was auch
wir sehen, aber er sieht es auf andere Weise als wir«, sagte Schmetterling in
tadelndem Ton. »Einen Krieg, den wir in unserer menschlichen Verwirrung nur als
ein wildes Durcheinander wahrnehmen, erkennt Er, der uns immer nahe ist,
dennoch als eine geordnete Aufstellung von zwei gegnerischen Heeren.«
Ich hatte sehr wohl eine Antwort
bereit und wollte sagen: »Laßt uns an Allah glauben und nur das abbilden, was
er uns sehen läßt, nicht aber, was er vor uns verbirgt.« Doch ich schwieg.
Nicht etwa wegen der Möglichkeit, Schmetterling könne mich als Nachahmer der
Franken beschuldigen oder unter dem Vorwand, die Rüstung zu prüfen,
erbarmungslos mit der stumpfen Seite des Dolches auf meinen Helm und meinen
Rücken einschlagen. Ich rechnete mir aus, daß wir uns nur dann vor Olives
Intrigen schützen konnten, wenn ich mich zurückhielt und diesen Toren mit den
schönen Augen und Kara für mich gewann.
Sowie ihnen klar wurde, daß hier
nicht zu finden war, was sie suchten, erklärten sie auch, um was es ging. Es
war ein Bild, das der elende Mörder gestohlen hatte ... Ich sagte ihnen, mein
Haus sei deswegen bereits durchsucht worden, und der kluge Mörder verberge
jenes Bild gerade aus diesem Grund an einem unerreichbaren Ort (ich hatte Olive
im Sinn), doch wieviel Beachtung schenkten sie mir? Kara erzählte ausführlich
von dem Pferd mit den geschlitzten Nüstern und erinnerte daran, daß die drei
Tage zu Ende gingen, die unser Padischah Altmeister Osman gewährt hatte. Als
ich darauf bestand, mehr über dieses Pferd mit den geschlitzten Nüstern zu
erfahren, blickte Kara mir direkt in die Augen und sagte, Meister Osman habe
dieses Tier als einen Hinweis auf Olive angesehen, am meisten jedoch mich
verdächtigt, weil er meinen Ehrgeiz sehr wohl kannte.
Auf den ersten Blick schien es, als
glaubten sie, ich sei der Mörder, als seien sie hierhergekommen, um das zu
beweisen, doch wenn es nach mir ging, war das nicht der alleinige Grund. Sie
hatten auch deshalb an meine Tür geklopft, weil sie sich hilflos und verlassen
fühlten. Als ich die Tür öffnete, zitterte der auf mich gerichtete Dolch in
Schmetterlings Hand. Sie fürchteten sich entsetzlich vor dem immer noch
unerkannten schurkischen Mörder, der ihnen in irgendeinem dunklen Winkel
auflauern und mit dem Lächeln eines alten Freundes die Kehle durchschneiden
konnte, wie ihnen auch die Vorstellung den Schlaf raubte, Altmeister Osman
könne sich mit dem Sultan und dessen Schatzmeister verständigen und sie den
Folterern ausliefern. Nicht zuletzt war ihr seelisches Gleichgewicht durch die
Anhänger des Erzurumers da draußen heftig gestört. Sie suchten meine
Freundschaft in all dieser Panik. Doch Meister Osman hatte sie im
gegenteiligen Sinne beeinflußt. Ich mußte ihnen nun auf behutsame Art beweisen,
daß Meister Osman im Unrecht war, wie auch sie selbst tief im Innern hofften.
Zu behaupten, der große Altmeister
habe sich geirrt, er sei schon senil, hieße aber, Schmetterling sofort gegen
mich aufzubringen. Denn mir war, als sähe ich in des schönen Illustrators
verschleierten Augen mit den Schmetterlingswimpern immer noch die blassen
Liebesflämmchen für den Meister leuchten, dessen Liebling er war, während er
mit dem Dolch auf meine Rüstung schlug. In meinen Jugendjahren war die
Zuneigung der beiden, Meister und Schüler, unter den
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