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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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brachten die Lampe herbei,
beleuchteten mein Gesicht und schauten mir umsichtig und mitfühlend wie ein
Arzt in die Augen.
    »Es ist, als hätte sich nichts
verändert.«
    Würde der direkte Blick dieser drei
in meine Augen das letzte sein, was ich in dieser Welt zu sehen bekam? Ich
begriff, daß mir diese Augenblicke bis zum Ende meines Lebens unvergeßlich bleiben
würden, und obwohl ich tiefes Bedauern spürte, sprach ich weiter, weil ich auch
Hoffnung hatte: »Dein Oheim lehrte den Fein Efendi, daß er etwas Verbotenes
getan hatte – indem er das letzte Bild zudeckte, für jeden von uns nur eine
Ecke freimachte und uns etwas zeichnen, aber nie das Ganze sehen ließ ... So
entfachte er selbst die Angst vor der Ketzerei durch die mysteriöse Atmosphäre
und die Geheimnistuerei, mit der er das Bild umgab. Er war es, der zuerst die
Bedenken und die Angst vor der Sünde verbreitete und auch uns damit ansteckte,
und nicht die Erzurumer, die noch nie im Leben ein illustriertes Buch gesehen
hatten. Vor was aber sollte sich ein Buchmaler fürchten müssen, der ein reines
Gewissen hat?«
    »Es gibt jetzt vieles, vor dem sich
der Buchmaler mit reinem Gewissen fürchten muß«, erklärte Kara übergescheit.
»Ja, niemand hat etwas gegen das Ausschmücken, doch das Bild ist in unserem
Glauben verboten. Weil die Bilder der persischen Meister, ja sogar die
Herrlichkeiten der größten Meister von Herat letztlich als ein Teil des
Randschmucks angesehen wurden, der die Schönheit der Schrift, das Wunderwerk
des Kalligraphen, hervorheben sollte, stößt sich niemand daran. Abgesehen
davon, wie viele Menschen sehen schon unsere Illustrationen? Sobald wir uns
jedoch der fränkischen Methoden bedienen, wendet sich unsere Malkunst vom
Illustrieren oder auch dem zierlichen Ornamentieren geradewegs dem Bild zu. Das
ist es, was der Koran verbietet, was unserem Propheten ganz und gar mißfallen
hat. Unser Padischah und auch mein Oheim wußten dies sehr wohl. Aus diesem
Grund ist mein Oheim ermordet worden.«
    »Dein Oheim wurde ermordet, weil er
sich fürchtete«, sagte ich. »Er hatte ganz so wie du die Behauptung
aufgestellt, daß seine Art der Illustration dem Glauben und dem Heiligen Buch
nicht widersprach. Das war genau der richtige Vorwand für die Erzurumer, die
krampfhaft nach einem Verstoß gegen den Glauben suchten. Der Fein Efendi und
dein Oheim paßten gut zueinander.«
    »Und du hast sie beide umgebracht,
nicht wahr?« fragte Kara.
    Ich dachte für einen Augenblick, er
würde mich schlagen, und begriff auch zugleich, daß der frischgebackene
Ehemann der schönen Şeküre die Ermordung seines Oheims keineswegs
beklagte. Er würde nicht zuschlagen, und wenn, machte ich mir nichts mehr
daraus.
    »Im gleichen Maß, wie unser
Padischah nach einem von den fränkischen Malern beeinflußten Buch verlangte«,
erklärte ich trotzig, »wollte dein Oheim in Wirklichkeit ein Buch anfertigen,
das jeden herausfordern und in die Furcht vor der Sünde verstricken sollte. Um
sich in seinem Hochmut wichtig zu machen. Er hatte eine sklavische Bewunderung
für die Bilder der fränkischen Meister empfunden, die er auf seinen Reisen zu
sehen bekam, und war diesen Dingen, von denen er uns tagelang erzählte – er
hat ihn sicher auch dir geschildert, diesen Unsinn von der Perspektive und den
Porträts –, vollkommen verfallen. Meiner Meinung nach enthielt das Buch, an dem
wir arbeiteten, weder etwas Schädliches noch etwas dem Glauben Widersprechendes
... Da er das selbst wußte, gab er sich den Anschein, ein gefährliches Buch
vorzubereiten, und das gefiel ihm sehr gut ... Mit der besonderen Erlaubnis des
Padischahs eine so gefahrvolle Sache auszuführen war für ihn ebenso wichtig wie
seine Bewunderung für die Bilder der fränkischen Meister. Ja, wenn wir Bilder
gemalt hätten, die man an die Wand hängt, wäre es sündhaft gewesen. Doch bei
keiner unserer Illustrationen für jenes Buch hatte ich je das Gefühl, sie
enthalte Unglauben oder Ketzerei oder irgendeine Andeutung von etwas
Verbotenem. Habt ihr dergleichen verspürt?«
    Meine Augen hatten ein wenig von
ihrer Kraft verloren, doch ich konnte noch, Allah sei Dank, zur Genüge
erkennen, daß meine Frage sie zögern ließ.
    »Ihr seid unsicher, nicht wahr?« fragte
ich schadenfroh. »Selbst wenn ihr ganz heimlich an eine gewisse sündige
Vorstellung, an den Schatten eines Frevels in den von euch gemalten Bildern
glaubt, werdet ihr das nie offen zugeben. Denn das hieße ja, euren

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