Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
wollt«, warf Jimmy ein. »Nichts kann dieses Virus stoppen. Auch nicht euer ganzer aufgeblasener Apparat.«
König würdigte den Einwand mit keinem Wort und wandte sich wieder Naomi zu. »Nach dem Ausbruch der Seuche und der Einweisung der ersten Opfer ist der Hochspannungszaun installiert worden, der um den gesamten Campus herum verläuft. Aber es gibt eine Schwachstelle.«
»Ja?« Naomi horchte neugierig auf.
»Im südlichen Teil des Campus stehen mehrere größere Bäume, deren Äste weit über den Zaun auf die andere Seite ragen. Von dort aus könnte uns die Flucht gelingen.«
»Dann lassen Sie uns keine Zeit verlieren«, meinte Naomi.
63
Die Buchstaben AM auf dem Nummernschild des teuren Landrovers standen für Agascha Morosow. Die Frau im Pelzmantel mit der blonden Dauerwelle bremste ab, weil ihr andauernd jemand vor die Kühlerhaube lief. All die Menschen flüchteten weiter in Richtung Bundesstraße und kümmerten sich einen feuchten Dreck darum, ob sie mit ihrem schicken Wagen durchkam oder nicht.
Agascha war eine stolze, ungeduldige Frau und nicht gewohnt, warten zu müssen. Sie brüllte etwas hinter der Frontscheibe; ihr Gesicht verzerrte sich dabei zu einer wütenden Fratze. Sie schlug mehrmals mit ihrer rechten Hand, an der Ringe mit hochkarätigen Diamanten prangten, auf die Hupe. An einer breiteren Parkausbuchtung einige Meter weiter voraus entstand ein Engpass, und die nach vorne drängende Menschenmenge kam ins Stocken, weil sie an den parkenden Autos vorbeimusste. Agascha fiel ein Mann auf, der sich umgedreht hatte, laut etwas brüllte, das sie nicht verstand, und aufgeregt auf den Bereich hinter ihrem Wagen zeigte. Sie blickte in den Rückspiegel und sah, wie Menschen schreiend davonrannten.
Kurz darauf wusste sie, warum. Zwischen der flüchtenden Menge tauchten Infizierte auf. Die Menschen vor ihr gerieten ebenfalls in Panik und stoben auseinander. Einige kletterten über die Zäune in die Gärten der Häuser entlang der Allee. Die Infizierten kamen immer näher. Was tun?, schoss es ihr durch ihr immer noch kühl funktionierendes Gehirn. Dann kam ihr etwas in den Sinn, was sie schon in friedvolleren Zeiten zu gerne einmal mit Passanten, die über rote Ampel liefen, oder mit Fahrradfahrern, die sich erdreisteten, auf ihrer Spur und nicht auf dem Fahrradstreifen zu fahren, getan hätte: sie einfach plattmachen!
Der schwarze, samtene Stöckelschuh mit der goldenen Sohle drückte das Gaspedal mit einem Mal ganz nach unten durch. Der V8-Motor brüllte laut auf, die Reifen drehten durch und schleuderten Steinchen und Staub nach hinten raus, bevor die Luxuskarosse mit einer Mordsgeschwindigkeit nach vorne schoss, direkt in die Menge hinein. Über einige Leute rollte sie einfach hinweg und fuhr dann auf den Gehweg, nachdem sie sich eine blutige Schneise durch die Menge gebahnt hatte. Dort schrammte sie an einem Zaun entlang und nahm noch einige weitere Personen auf die Kühlerhaube, die ihr im Weg standen. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie die nicht mehr weit entfernte Bundesstraße sehen konnte.
Sie machte jedoch einen entscheidenden Fehler, als sie am Ende der Straße den Gehweg wieder hinunterfuhr und dabei nicht den Kopf nach rechts drehte. Rechts vor links – das hatte der Fahrlehrer ihr schon in Russland bei der Fahrstunde immer wieder versucht einzubläuen. Doch sie hatte es selbst bei der ersten Prüfung einfach vergessen und war deswegen durchgefallen. Jetzt wurde ihr dieser Fehler erneut zum Verhängnis.
Von rechts kam aus der Seitenstraße ein Lkw angerauscht, der brutal in ihre Beifahrerseite krachte und sie in ihrem Wagen fast einhundert Meter über die Fahrbahn schob, bevor sie mit voller Wucht gegen ein parkendes Auto prallte und zum Stehen kam. Der Gurt hatte sofort angezogen, und die Airbags hatten gezündet. Agaschas Rippen schmerzten vom heftigen Zug des Gurts, aber ansonsten war sie unversehrt. Sie schnallte sich ab und kletterte über den Beifahrersitz nach draußen, wo sie den Fahrer des Lkws auf sich zutaumeln sah. Er blutete am Kopf. Sie verstand nicht, was er meinte, als er die Hand hochriss und in ihre Richtung zeigte. Doch da war es schon zu spät. Zwei Arme packten sie und rissen sie herum. Der Infizierte riss ihr mit stumpfen Zähnen ein Stück Fleisch aus dem Hals, wobei ihre Halskette entzweiging und die Perlen auf die Erde fielen.
Es gab niemanden, der Agascha zu Hilfe eilte. Auch nicht Witter, Paul und Gabriela, die aus einiger Entfernung
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