Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
schaute nervös zur Tür von Witters Wohnung. Barabbas und seine Jungs mussten taub sein, wenn sie das nicht gehört hatten!
Die drei huschten weiter, beschleunigten ihre Schritte.
Naomi schaute wieder aufs Display. Ihre Mutter versuchte immer noch, sie zu erreichen. Sie zögerte kurz, ob sie abnehmen sollte oder nicht, aber dann tat sie es. »Mama!«, flüsterte sie in den Hörer.
Jimmy, der das mitbekam, drehte den Kopf zu ihr herum und fauchte sie leise an: »Bist du irre? Mach sofort dieses Scheißding aus!«
»Bist du das, Schatz?« Ihre Mutter war sich offenbar nicht sicher, ob es Naomi war. Die Stimme klang so leise.
»Ja, ich bin es, Mama!« Naomi, die sich von Jimmys zornigen Worten nicht beirren ließ, blieb erneut stehen.
»Gott sei Dank«, hörte sie ihre Mutter erleichtert sagen. »Wie geht es dir?«
Naomi stockte, als sie sah, wie Jimmy, der schon am Fahrstuhl angelangt war und die Taste gedrückt hatte, plötzlich ernst schaute, seine Pistole entsicherte und sie hochhielt. Naomi nahm das Telefon von ihrem Ohr und drehte langsam ihren Kopf herum. Barabbas und seine Jungs standen im Türrahmen von Witters Wohnung. Barabbas’ eisiger Blick und der von Jimmy begegneten sich.
»Naomi …? Naomi, bist du noch dran?«, klang die besorgte Stimme ihrer Mutter aus dem Handy.
Es dauerte eine Schrecksekunde, in der Naomi ihr Telefon wieder in die Tasche steckte, bis sie losrannte. Sie schloss zu Witter auf, der den Gang entlanghumpelte, während Jimmy bereits in den Fahrstuhl sprang. Sie packte den alten Mann im Vorbeirennen an der Schulter und riss ihn mit sich. Die Türen des Lifts schlossen sich langsam. Als die beiden den Aufzug erreichten, schlug Naomi hektisch auf die Taste.
Sie hatten Glück – die Türen des Fahrstuhls öffneten sich noch einmal. Die zwei stürzten zu Jimmy hinein. Naomi sah noch, wie Reuben auf sie zuhastete. Dann setzte sich der Aufzug in Bewegung und fuhr nach oben.
32
»Naomi. Hörst du mich!? Sag doch bitte was!?« Außer Simones verzweifelt klingender Stimme aus dem Hörer des Smartphones war nur noch das Geräusch des fahrenden Aufzugs zu vernehmen. Niemand sagte einen Ton. Jimmy starrte vor sich hin; er schien nachzudenken. Witter lehnte erschöpft, halb in die Knie gesunken, an der Metallwand und keuchte. Naomi atmete einmal durch, dann hob sie die Hand mit dem Telefon ans Ohr.
»Ja. Alles in Ordnung«, antwortete sie schließlich. Sie klang nicht sehr überzeugend.
»Du hörst dich nicht gut an. Was ist passiert?«
»Nichts, Mama. Wir mussten nur schnell in den Aufzug.« Es wäre sinnlos gewesen, ihrer Mutter von Barabbas zu erzählen. Sie konnte ihnen nicht helfen, und es hätte sie nur noch mehr verwirrt und in Angst versetzt. Die Situation war auch so schon schlimm genug.
»Wer ist noch bei dir?«
»Sigmund Witter und Jimmy. Du weiß schon, der aus dem Stock über uns.«
»Sie haben das Haus unter Quarantäne gestellt. Wegen des Virus.«
Naomi zögerte kurz und überlegte, ob sie ihre Mutter mehr als nötig in Sorge versetzen sollte. Aber dieser Anruf war eine einmalige Chance, der Öffentlichkeit über ihre Mutter mitzuteilen, was in dem Gebäude vor sich ging. »Mama, es haben sich noch weitere Leute mit dem Virus infiziert. Kenny ist tot …«
Sie hörte ihre Mutter einen entsetzten Seufzer ausstoßen.
»Seine Mutter und sein Vater auch«, fuhr sie fort. »Alle waren genauso seltsam verwandelt wie Johanna Wedkind, bevor sie starben. Kennys Vater hat Trude Bronsek erschossen … Du musst uns helfen, dass wir so schnell wie möglich hier rauskommen!«
Naomi hörte, wie ihre Mutter begann, lautstark auf jemanden einzureden.
»Naomi sagt, dass das Virus sich im Gebäude ausgebreitet hat und schreckliche Dinge passieren. Sie holen jetzt sofort meine Tochter da raus, haben Sie verstanden!«
Ein männliche Stimme antwortete: »Kann ich mit Ihrer Tochter sprechen?« Kurze Pause. Dann war der Mann am Telefon. »Naomi, mein Name ist Stefan König, und ich bin der Einsatzleiter der Polizei. Kannst du mir bitte sagen, was genau im Gebäude vor sich geht?«
»Einen Moment …«
Der Fahrstuhl hielt im obersten Stockwerk an. Die Türen öffneten sich, und sie stiegen aus. Witter kannte den Weg aufs Dach und ging voraus; er hatte sich inzwischen von der eiligen Flucht erholt. Jimmy stellte sich nicht mehr quer und trottete ihnen hinterher. Zurück in die Wohnung konnten sie wegen Barabbas und seinen Jungs nicht mehr, und in der Kürze der Zeit war ihm auch kein
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