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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
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»Ich habe Naomi gerade eben im Fernsehen gesehen!«
    »Ich weiß, Rafael, ich weiß«, antwortete Simone.
    »Das ist alles total schrecklich …« Er stockte einen Moment, es schien ihm schwerzufallen weiterzusprechen. »Ich habe den ganzen Tag versucht, sie zu erreichen. Aber sie ging nicht dran.«
    »Ich konnte kurz mit ihr sprechen.«
    »Ja?«
    »Es geht ihr den Umständen entsprechend gut.« Sie zögerte kurz und fügte dann hinzu: »Naomi ist ein sehr starkes Mädchen.« Diese Worte waren mehr an sich selbst als an Rafael gerichtet: Sie sprach sich selbst Mut zu.
    »Klar doch, Frau Sabelmann«, stimmte Rafael ihr zu.
    »Frau Sabelmann, ich würde Sie jetzt gerne zur Untersuchung ins Virchow-Klinikum bringen lassen«, unterbrach Stefan König sie vorsichtig.
    Simone nickte ihm zu, dann sagte sie ins Telefon: »Wir bleiben in Kontakt, Rafael.«
    »Ja … und sollten Sie Naomi sprechen, dann sagen Sie ihr, dass sie auf mich zählen kann, egal was passiert.«
    »Das werde ich tun, Rafael!« Simone beendete das Gespräch und folgte König an den Reportern und den anderen Leuten hinter der Absperrung vorbei in Richtung Krankenwagen. Aus der Menschenmenge hörte sie auf einmal, wie eine Frauenstimme ihren Namen rief: »Frau Sabelmann!«
    Sie blieb stehen und drehte sich um, sah die Person aber nicht.
    »Hier! Frau Sabelmann!«
    Da entdeckte sie die Ruferin inmitten der Menge. Die junge Frau trug heute nicht ihre übliche blau-weiße Briefträgeruniform, aber das hübsche Gesicht erkannte sie sofort wieder.
    »Ich konnte heute keine Post ausliefern, aber …« Sie kam näher, zog einen Brief aus ihrer Manteltasche und überreichte ihn Simone. »Er ist aus Kolumbien.«
    Bei der Erwähnung dieses Landes musste Simone sofort an ihren verstorbenen Mann denken. Sie betrachtete den Umschlag kurz. Sie erkannte den Stempel und die kolumbianische Briefmarke, auf der ein Schmetterlingsmotiv abgebildet war. Ein Absender stand nicht darauf, und die mit einem dunklen Filzstift dahingekritzelte Adresse … Das war definitiv nicht Olafs Handschrift.
    Simone zwang sich zu einem Lächeln. »Ich habe Sie nie gefragt, wie Sie heißen.«
    »Gabriela.«
    »Vielen Dank, Gabriela«, sagte Simone und steckte den Brief ein. Anschließend ging sie weiter zu König, der schon vor dem Fahrzeug auf sie wartete. Zwei Männer in Schutzanzügen halfen ihr in den Wagen. Der Innenraum sah nicht wie ein üblicher Rettungswagen aus; bis auf die üblichen medizinischen Gerätschaften und die Krankenliege war er entkernt und komplett aus Edelstahl. Ein Infektionsmobil!, schoss es Simone kurz durch den Kopf. Sie schaute noch ein letztes Mal hoch zum Dach des Gebäudes, dann schlossen sich die Türen, und mit Blaulicht fuhren sie davon.

35
    Naomi hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, so laut war das ratternde Geräusch der Rotoren. Aber sie hielt weiterhin eisern ihren Stiel des Transparents umklammert. Genau wie Witter – dem es noch schwerer fallen musste, sich dem Druck des Windes entgegenzustemmen und das Bettlaken festzuhalten – blieb sie weiterhin am Dachrand stehen. Die beiden folgten weder der mehrfach durchs Megaphon gerufenen Aufforderung, das Dach zu verlassen, noch ließen sie sich von dem großen Hubschrauber einschüchtern, der sich ihnen wie ein bedrohliches metallenes Rieseninsekt Stück um Stück näherte. Naomis Blick glitt über die Stadt, wo gerade allerorten die Straßenbeleuchtung und vielfach auch die Lichter in den Häusern angingen. Von der einen auf die andere Minute war es dunkel geworden.
    Naomi musste blinzeln, weil die Lampen des Helikopters sie blendeten. Außerdem hatte man von unten Scheinwerfer aufs zum Dach gerichtet. In der letzten halben Stunde hatten sich vor dem Gebäude noch mehr Menschen versammelt. Angelockt von den TV-Berichten, waren sie herbeigeströmt, um das Schauspiel nicht zu verpassen. Naomi drehte sich kurz zu Jimmy, der den Kopf gesenkt hatte und sein Gesicht noch tiefer im Kragen des Mantels verbarg. Ob das reichte, um unerkannt zu bleiben, wenn der Sucher einer Kamera ihn erwischte? Witter blickte auf die Menge vor der Platte, dann zu Naomi und lächelte ihr zu. Er wirkte ein wenig überrascht. Er hatte wohl nicht geglaubt, dass ihre Aktion ein so großes Aufsehen erregen würde. Sie hatten keine Ahnung, wie lange sie noch so dastehen sollten oder was passieren würde, wenn sie noch längere Zeit hier aushielten.
    Den Blick nach vorne gerichtet, akustisch eingehüllt in einen lauten

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