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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
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durchlöcherte, fiel auch sie zu Boden.
    Weinert schaute seinen persönlichen Referenten mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung an. »Mahler, das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.«
    Der Referent war noch völlig außer Atem, spürte aber gleichzeitig eine große Euphorie. Das war dann wohl das Adrenalin in seinem Blut, als er die Touristin abgeknallt hatte, dachte er. Nachdem er tief Luft geholt hatte, sagte er: »Vielen Dank, Herr Weinert.«
    In diesem Moment kam er sich vor wie der Sheriff der Stadt – unangreifbar und glorreich. Ein überwältigendes Hochgefühl stellte sich ein und ein ketzerischer Gedanke, den er Weinert natürlich niemals anvertrauen könnte: dass er in absehbarer Zeit aus dem Schatten seines Chefs heraustreten und schließlich zum nächsten Bürgermeister von Berlin gewählt würde.

43
    Warum Chad Jackson, der Heilsprediger aus der Kleinstadt Hadesville in Texas, knapp drei Wochen vor Weihnachten plötzlich eine lange Reise antrat, war für alle von Anfang an ein Rätsel gewesen: für seine Frau Therese, seine drei Kinder Ted, Ruby und Molly und für die gesamte Gemeinde der Church of Jesus Christ of the Latter-Day Blessed . Er war in seinem ganzen langen Leben nur einmal verreist, und da hatte es ihn zu einer Versammlung fundamentalistischer Freikirchen in Austin geführt. Und nun Thailand …
    Bevor er in das Flugzeug nach Asien gestiegen war, hatte er seiner Familie und den Mitgliedern der Gemeinde erzählt, dass ihm die Stimme Gottes befohlen habe, diese Reise anzutreten. Sie hatten nicht weiter nachgefragt, was genau Gott von ihm wollte, denn, wie er ihnen immer predigte, die Wege des Herrn waren unergründlich. Für jeden anderen Mann in seinem Alter – er war mittlerweile zweiundsiebzig – wäre der Langstreckenflug, eingepfercht auf dem Mittelsitz zwischen einer Frau mit Baby und einem übergewichtigen Landsmann, eine Strapaze gewesen. Nicht aber für Chad Jackson, der nach vielen Stunden und einem Zwischenstopp einigermaßen fit aus der Maschine stieg. Fragte man ihn nach den Gründen für seine außergewöhnlich gute körperliche Verfassung, führte er jedes Mal eiserne Disziplin, ein gottesfürchtiges Leben und die Gnade des Herrn an. Augenzwinkernd nannte er am Schluss immer auch noch die eiskalte Dusche am Morgen und das Glas Gin am Abend.
    Nachdem er die Passkontrolle hinter sich gebracht hatte, ging er zum Gepäckband und nahm seinen alten braunen, vernarbten Lederkoffer aus den Vierzigerjahren mit dem Deckel aus braun-rotem Karo-Stoff wieder an sich; er hatte das gute Stück nie gegen ein neueres Modell eintauschen wollen. Danach verließ er das Flughafengebäude, bestieg ein Taxi und nannte die Adresse eines Hotels im Rotlichtmilieu Patpong.
    Nach einer Fahrt von einer knappen Dreiviertelstunde hielt das Taxi vor einem vier Stockwerke hohen Gebäude an. Jackson stieg aus. Er schaute nach oben und las Lucky Hotel in Neonschrift. Das »y« flackerte. Die grau-weiße Fassade und die daran angebrachten Balkons, die so klein waren, dass gerade mal eine Person hinaustreten konnte, bröckelten schon. Außen vor den Fenstern im dritten Stock hingen dicke Stromkabel. Sein Blick glitt zur Seite, und er sah, dass sich die Kabel von Strommast zu Strommast weiterschlängelten und sich irgendwo hinten in der Gasse verloren, die selbst am helllichten Tag in ein schummeriges Licht getaucht war.
    Jackson betrat das Lucky Hotel und checkte bei einer alten Thailänderin ein, die selbst für asiatische Verhältnisse äußerst klein war. Sie lächelte ihn freundlich an, und er bezahlte für eine Woche im Voraus. Sein Zimmer schien kaum größer als eine Schuhschachtel zu sein. Neben einem Bett mit harter Matratze gab es noch ein Waschbecken, das einen langen Riss quer durch das Porzellan aufwies, und einen kleinen gelben Kleiderschrank mit einer einzigen Tür. Sie hing schief, da das Scharnier gebrochen war. Dusche und Toilette befanden sich für alle auf dem Gang.
    Durch das geöffnete Balkonfenster waberten die Gerüche der Stadt: Der Duft exotischer Gewürze und lieblicher Blumen vermischte sich mit dem Gestank von Bratfett und Abgasen der Autos, Motorräder sowie Tuk-Tuks, deren lautes Rattern von der nicht weit entfernten größeren Straße herüberschallte.
    Jackson legte seinen Koffer auf das Bett und öffnete ihn. Darin befand sich neben akkurat gefalteter Kleidung, einem Paar dunkelbrauner Lederschuhe, einer schmalen schwarzen Krawatte und einem Kosmetikbeutel auch ein

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