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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
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gebrauchter Spritzen, an deren Nadeln Blutreste klebten. Die Ärmel ihres Kittels hatte sie hochgekrempelt, und ihre Arme waren voller Einstiche. Was hatte sie sich gespritzt? War das ein verzweifelter Versuch gewesen, das Virus in ihrem Körper zu bekämpfen?
    Hannelore Adler war zu sehr damit beschäftigt, eine neue Injektionsnadel durch den Deckel eines Fläschchens zu stoßen, dann dessen Inhalt aufzuziehen und sich in eine Vene zu spritzen, als dass sie Naomi bemerkte, die vor Schreck erstarrt in der Tür stand und sie beobachtete. Naomi versuchte, normal zu atmen, obwohl es ihr schwerfiel, weil sie so aufgeregt war. Sie begann, die Tür so leise wie nur möglich zu schließen. Doch plötzlich schaute die Apothekerin auf. Ihre Blicke begegneten sich.
    Normalerweise hatte Hannelore Adler zur Begrüßung und zum Abschied immer gelächelt – nie übertrieben, aber immer freundlich –, wenn Naomi oder ihre Mutter im Laden erschienen waren. Jetzt zog sie den Mund nach unten und fixierte Naomi wie eine Schlange, die sich bedroht fühlte. Das Mädchen musste spontan an eine Dokumentation über Giftschlangen im Discovery Channel denken, wo ein Schlangenfänger all jenen, denen eines dieser Kriechtiere begegnete, geraten hatte, einfach stehen zu bleiben und den seltenen Augenblick in Ruhe zu genießen. Naomi war sich nicht sicher, ob das bei der Apothekerin eine gute Idee war, denn die sprang auf einmal vom Sitz hoch. Dann stürzte sich die Frau jedoch so schnell nach vorne, dass sie ihr Gleichgewicht verlor. Sie stolperte über den Vorleger und fiel gegen die Tür, die zuschlug und gegen die Stirn des Mädchens knallte.
    Naomi taumelte zurück und stieß mit dem Rücken gegen die gegenüberliegende Wand. Sie schaffte es, sich daran abzustützen, sodass sie nicht zu Boden fiel. Sie richtete sich wieder auf, doch da hatte die Apothekerin bereits die Tür aufgerissen und trat aus dem Bad. Die dämonisch wirkende Frau stellte sich drohend vor Naomi hin, in der Hand eine Spritze.
    Die Infizierte riss den Arm hoch, um mit der Nadel zuzustoßen. Dann senkte sich die mörderische Hand rasend schnell. Die Injektionsnadel hätte sich mit tödlicher Sicherheit in Naomis Halsschlagader gebohrt – wenn nicht plötzlich ein Schuss gefallen wäre. Die Pistolenkugel drang seitlich in den Kopf von Hannelore Adler ein und durchschlug den Schädel: Eine Fontäne aus Blut und Hirnmasse spritzte aus dem zweiten Loch heraus. Das Projektil flog weiter bis zum Ende des Flurs und traf dort das eingerahmte Apotheker-Diplom von Egon Adler; das Glas davor zersprang mit einem lauten Klirren.
    »Du hättest auf meinen Rat hören und die Knarre nehmen sollen«, sagte Jimmy kaltblütig und senkte die Waffe. »Ich kann nicht jedes Mal den Schutzengel spielen.« Er drückte ihr die SIG Sauer von Kennys Vater in die Hand, die Naomi vor ein paar Stunden noch vehement zurückgewiesen hatte.
    Sie starrte auf die mattschwarze Waffe wie auf einen seltsamen Fremdkörper und erwiderte nichts: Weder protestierte sie, noch bedankte sie sich. Zu sehr stand die junge Frau unter dem Schock des soeben Erlebten.
    »Du musst bei dieser Waffe nichts entsichern. Einfach nur abdrücken!«
    Aufgeschreckt durch den Schuss, kamen nun auch Witter, Paul und – humpelnd – Rafael herbeigestürzt. Der Junge setzte zu einer Frage an, doch dann sah er die Leiche mit der Spritze auf dem Boden liegen und verstand. Er drängte sich an Jimmy vorbei zu Naomi, die am ganzen Körper zitterte, und legte behutsam seinen Arm um sie. Eine ganze Weile standen sie alle nur schweigend da.
    »Jemand – wahrscheinlich ihr Mann – muss Frau Adler im Bad eingesperrt haben, nachdem die Verwandlung bei ihr eingesetzt hatte«, sagte Naomi mit zittriger Stimme, nachdem sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte. »Und dann hat er ihr haufenweise diese Spritzen zugesteckt. Wie lange sie wohl so dagesessen und diese Dinge in sich reingejagt hat?« Naomi wandte sich ab. Ihr war übel.
    Die anderen deckten die Leiche der Apothekerin mit Handtüchern aus dem Bad behelfsmäßig zu und gingen zurück in den Verkaufsraum.
    »Bis morgen schieben wir abwechselnd Wache«, entschied Jimmy. »Wer macht den Anfang?«
    »Ich mache den Anfang«, antwortete Paul.
    »Gib ihm deine Waffe«, forderte Jimmy Naomi auf.
    Sie streckte sie Paul hin, der sie entgegennahm, auch wenn er danach das Ding in seiner Hand unsicher anblickte.
    »Wenn du was siehst oder hörst, schlägst du Alarm«, erklärte Jimmy.

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