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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Kinn ist dreckverschmiert und meine Kleider sind ebenfalls dreckig. Meine Haare sind vom Regen ganz kraus. Ich sehe aus, als wäre ich aus einer psychiatrischen Anstalt ausgebrochen.
    Ich krame in Mrs Finemans Kleidern und stoße auf einen weichen Kaschmirpullover und eine schwarze Jeans. Sie ist mir an der Taille zu weit, aber mit einem Gürtel sieht sie fast normal aus. Meine alten Kleider knülle ich zusammen und stopfe sie ganz hinten in den Schrank, hinter das Schuhregal. Ich werfe einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. Halb neun.
    Auf dem Weg nach unten entdecke ich ein Bücherregal in einer Nische der Diele und dort auf dem höchsten Regalbrett die kleine Hahnenfigur. Ich weiß nicht, warum mir das so wichtig ist, aber ganz plötzlich muss ich wissen, ob Thomas Fineman den Schlüssel zu seinem zweiten Arbeitszimmer all die Jahre über dort aufbewahrt hat. Er ist die Art Mann, der so etwas tun würde, selbst nachdem sein Sohn das Versteck entdeckt hatte. Er würde darauf vertrauen, dass die Schläge Abschreckung genug waren, und es als Test und als Provokation verstehen, damit sich Julian jedes Mal, wenn er das blöde Ding sah, daran erinnerte und seine Tat bereute.
    Das Regal ist nicht besonders groß und das oberste Regalbrett nicht besonders hoch – ich bin sicher, dass Julian inzwischen leicht herankäme –, aber ich muss auf einen Tritt steigen, um an den Hahn zu kommen. Sobald ich das Porzellantier in die Hand nehme, klappert etwas in seinem Bauch. Der Kopf des Hahns geht ab und ich kippe einen Schlüssel auf meine Handfläche.
    Genau in diesem Moment höre ich gedämpfte Schritte und jemand sagt: »Ja, ja, genau.« Mein Herzschlag setzt aus: Thomas Fineman. Am Ende der Diele sehe ich den Griff der Haustür wackeln, als der Schlüssel ins Schloss gesteckt wird.
    Sofort springe ich von dem Tritt, immer noch den Schlüssel in der Hand, und stürze auf die abgeschlossene Tür zu. Erst nach ein paar Sekunden Fummelei kriege ich den Schlüssel ins Schloss und da höre ich, wie die Schlösser der Haustür aufgleiten, zwei hintereinander, und ich stehe erstarrt und entsetzt in der Diele, als die Tür einen Spaltbreit aufgeht.
    Dann sagt Fineman: »Verdammt.« Schweigen. »Nein, Mitch, nicht du. Mir ist was runtergefallen.«
    Offenbar telefoniert er. In der Zeit, die er braucht, sich zu bücken und aufzuheben, was immer ihm runtergefallen ist, schließe ich auf und husche in das verbotene Arbeitszimmer. Nur einen Sekundenbruchteil bevor auch die Haustür zugeht, schließe ich die Tür – ein doppelter Herzschlag.
    Dann kommen die Schritte den Flur entlang. Ich weiche von der Tür zurück, als ob Fineman mich wittern könnte. Das Zimmer ist düster – die schweren Samtvorhänge vor dem Fenster sind nicht ganz geschlossen, so dass ein schmales Band graues Licht hereindringt. Stapel aus Büchern und Kunstwerken winden sich spiralförmig zur Decke hinauf wie verdrehte Totempfähle. Ich stoße gegen einen Tisch und fahre herum, um im letzten Moment ein schweres, in Leder gebundenes Buch aufzufangen, bevor es auf den Boden knallt.
    Fineman bleibt vor der Tür des Arbeitszimmers stehen und mir schwinden die Sinnne. Meine Hände zittern.
    Ich kann mich nicht erinnern, ob ich dem Hahn den Kopf wieder aufgesetzt habe.
    Bitte, bitte, bitte geh weiter.
    »Mh-mhm«, sagt er ins Telefon. Seine Stimme ist hart und kurz angebunden, überhaupt nicht wie die fröhliche gedehnte Sprechweise, die er an sich hat, wenn er Interviews gibt oder bei VDFA-Versammlungen spricht. »Ja, genau. Um zehn. Es ist beschlossene Sache.«
    Weiteres Schweigen, dann sagt er: »Na ja, ich habe eigentlich keine Wahl, oder? Wie sähe das denn aus, wenn ich Einspruch einlegen würde?«
    Ich höre ihn die Treppe hinaufgehen und atme etwas auf, obwohl ich immer noch viel zu verängstigt bin, um mich zu rühren. Ich habe Angst, wieder gegen etwas zu stoßen und einen der Bücherstapel umzuwerfen. Stattdessen warte ich unbeweglich, bis ich Fineman wieder die Treppe herunterkommen höre.
    »Alles klar«, sagt er und seine Stimme wird leiser. Er geht wieder. »Ecke 18. und 6. Straße, Nordost-Klinik.«
    Dann geht die Haustür auf und zu und ich bleibe erneut in der Stille zurück.
    Ich warte noch ein paar Minuten, bevor ich mich bewege, nur um ganz sicher zu sein, dass ich allein bin und dass Fineman nicht zurückkommt. Meine Handflächen sind schweißnass und es gelingt mir kaum, das Buch zurückzulegen. Es ist ein besonders großer Band mit

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