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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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aus.
    »Ich warte nicht ewig auf dich«, ruft Raven, die mir den Rücken zugekehrt hat.
    »Noch fünf Minuten«, erwidere ich, breite die Arme aus und mache einen Kopfsprung ins tiefe Wasser. Es haut mich um – die Kälte ist wie eine Mauer, eisig und undurchdringlich, und zerrt an jedem Nervenstrang in meinem Körper –, in meinen Ohren klingelt es und es rauscht überall um mich herum. Es verschlägt mir den Atem und ich tauche keuchend auf, durchbreche die Wasseroberfläche, während über mir die Sonne langsam höher steigt und der Himmel sich senkt und fester wird, um sie zu halten.
    Und genauso plötzlich ist die Kälte verschwunden. Ich tauche erneut mit dem Kopf unter, trete Wasser und lasse die Strömung an mir zerren. Mit dem Kopf unter Wasser kann ich beinahe die brabbelnden, gurgelnden Laute verstehen. Mit dem Kopf unter Wasser kann ich es den Namen sagen hören, den ich so angestrengt zu vermeiden versucht habe – Alex, Alex, Alex –, und höre auch, wie es den Namen fortträgt. Ich steige zitternd und lachend aus dem Fluss und ziehe mich zähneklappernd an, meine Fingernägel haben blaue Ränder.
    »Ich habe dich noch nie lachen hören«, sagt Raven, nachdem ich mich angezogen habe. Sie hat Recht. Seit ich in der Wildnis bin, habe ich nicht gelacht. Es fühlt sich unglaublich gut an. »Fertig?«
    »Fertig«, sage ich.
    An diesem ersten Tag muss ich jeden Eimer einzeln tragen, ihn mit beiden Händen schleppen, wobei ich schwitze und fluche und im Gehen Wasser verschütte. Ein langsames Vorwärtsschlurfen; dann einen Eimer absetzen, zurückgehen und den anderen Eimer holen. Ein paar Schritte vorwärts. Dann eine Pause, keuchend ausruhen.
    Raven geht vor mir. Immer wieder bleibt sie stehen, stellt ihre Eimer ab, reißt ein Stück Weidenrinde von einem Baum und verteilt es auf dem Weg, damit ich weiß, wo ich langgehen muss, auch nachdem ich sie aus den Augen verloren habe. Nach einer halben Stunde kommt sie zurück und bringt mir einen Metallbecher mit abgekochtem Wasser und ein kleines Baumwolltuch mit Mandeln und Rosinen. Die Sonne steht jetzt hoch und scheint hell, Licht schneidet wie Flammen zwischen den Bäumen hindurch.
    Raven bleibt bei mir, obwohl sie mir keine Hilfe anbietet und ich sie auch nicht darum bitte. Sie beobachtet mich ausdruckslos mit verschränkten Armen, während ich meinen langsamen, qualvollen Weg durch den Wald fortsetze.
    Endergebnis: zwei Stunden. Drei Blasen auf den Handflächen, von denen eine so groß ist wie eine Kirsche. Arme, die so stark zittern, dass ich sie kaum an mein Gesicht heben kann, als ich versuche den Schweiß abzuwaschen. Ein offener, roter Schnitt in einer Hand, vom metallenen Henkel verursacht.
    Beim Abendessen tut mir Tack die größte Portion Reis und Bohnen auf, und obwohl meine Hände so stark zittern, dass sie kaum das Essen festhalten können, und Squirrel der Reis angebrannt ist, so dass er von unten ganz braun und knusprig ist, kommt mir das vor wie die beste Mahlzeit, die ich seit meiner Ankunft in der Wildnis zu mir genommen habe.
    Nach dem Abendessen bin ich unendlich müde und schlafe angekleidet ein, sobald mein Kopf nur das Kissen berührt; ich vergesse, Gott in meinen Gebeten darum zu bitten, mich nicht mehr aufwachen zu lassen.
    Erst am nächsten Morgen fällt mir auf, welches Datum wir haben: 26. September.
    Hana ist gestern geheilt worden.
    Hana ist weg.
    Seit Alex gestorben ist, habe ich nicht mehr geweint.
    Alex lebt.
    Das wird zu meinem Mantra, zu dem, was ich mir täglich sage, wenn ich in die tiefschwarze Morgendämmerung und den Nebel auftauche und langsam und gewissenhaft wieder mit meinem Lauftraining beginne.
    Wenn ich es schaffe, bis zu der alten Bank zu laufen – mit explodierender Lunge und zitternden Beinen –, lebt Alex.
    Erst sind es zehn Meter, dann zwanzig, dann zwei Minuten am Stück, dann vier.
    Wenn ich es bis zu diesem Baum schaffe, kommt Alex zurück.
    Alex steht direkt hinter diesem Hügel; wenn ich, ohne anzuhalten, den Berg hochkomme, ist er da.
    Erst stolpere ich oft und verstauche mir ein halbes Dutzend Mal beinahe den Knöchel. Ich bin nicht an die Landschaft aus Müll gewöhnt, kann im düsteren, schwachen Morgenlicht kaum etwas sehen. Aber meine Augen werden besser oder meine Füße lernen den Weg kennen und nach ein paar Wochen gewöhnt sich mein Körper an den Untergrund und an die Geometrie all der geborstenen Straßen und Gebäude, und schließlich kann ich die ganze Hauptstraße entlanglaufen,

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