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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Schulter zu. »Bevor sie uns finden«, sage ich und drücke die Türen auf, die hinter mir wieder zuschwingen.
    Als ich zurück in Brooklyn bin, ist die Sonne bereits untergegangen. In der Wohnung ist es kalt und dunkel, nur in der Diele brennt eine einsame Lampe. Auf dem Schränkchen im Flur liegt ein kleiner Stapel Post.
    NIEMAND IST IN SICHERHEIT, BEVOR ALLE GEHEILT SIND ist auf dem ersten Umschlag sorgfältig oberhalb unserer Adresse gedruckt. Und darunter steht: BITTE UNTERSTÜTZEN SIE DIE VDFA.
    Neben der Post steht ein kleines Silbertablett für unsere Papiere. Zwei Personalausweise liegen nebeneinander: Rebecca Ann Sherman und Thomas Clive Sherman, die beide auf ihren Passfotos geradeaus blicken, ohne zu lächeln. Rebecca hat streng gescheiteltes rabenschwarzes Haar und große braune Augen. Thomas’ Haare sind so kurz, dass man schlecht erkennen kann, welche Farbe sie haben. Seine Augenlider sind halb geschlossen, als würde er gleich einschlafen.
    Unter den Ausweisen liegen ihre restlichen Dokumente, ordentlich sortiert. Wenn man sie durchblättern würde, erführe man alles Wichtige über Rebecca und Thomas: Geburtsdatum und -ort, Eltern und Großeltern, Gehalt, Schulabschluss, Fälle von Ungehorsam, Ergebnis der Evaluierung und Noten, Datum und Ort der Hochzeit, alle früheren Anschriften.
    Natürlich existieren Rebecca und Thomas nicht in Wirklichkeit, genauso wenig wie Lena Morgan Jones, ein schmalgesichtiges Mädchen, das auf seinem offiziellen Personalausweis ebenfalls nicht lächelt. Mein Ausweis kommt neben Rebeccas. Man weiß nie, wann es eine Razzia oder eine Volkszählung gibt. Es ist besser, wenn man dann nicht erst nach seinen Papieren kramen muss. Es ist überhaupt besser, wenn niemand hier anfängt zu kramen.
    Erst als ich nach New York gezogen bin, konnte ich Ravens Ordnungsfimmel in der Wildnis verstehen. An der Oberfläche muss alles gut aussehen. Glatt. Es darf keinerlei Krümel geben.
    So gibt es keine Spur, der man folgen könnte.
    Die Vorhänge im Wohnzimmer sind zugezogen. Das hält die Wärme drinnen und die Blicke – der Nachbarn, der Aufseher, der Patrouillen – draußen. In Zombieland beobachtet dich immer irgendjemand. Die Leute haben nichts anderes zu tun. Sie denken nicht. Sie verspüren keine Leidenschaft, keinen Hass, keine Trauer; sie verspüren nichts weiter als Angst und Kontrollzwang. Also beobachten sie und bohren und schnüffeln herum.
    Im hinteren Teil der Wohnung liegt die Küche. An der Wand über dem Tisch hängt ein Foto von Thomas Fineman und eins von Cormac T. Holmes, dem Wissenschaftler, dem der erste erfolgreich verlaufene Eingriff zugeschrieben wird.
    Hinter dem Herd ist eine kleine Vorratskammer. Sie ist mit schmalen Regalbrettern ausgekleidet und bis oben hin voll mit Lebensmitteln. Die Erinnerung an eine lange Hungerzeit lässt sich nicht so leicht abschütteln, und alle von uns, die das mitgemacht haben, sind jetzt heimliche Hamsterer. Wir haben immer Müsliriegel dabei und stopfen uns die Taschen mit massenhaft Zuckertütchen voll.
    Man weiß nie, wann der Hunger wiederkommt.
    Eine der drei Wände der Vorratskammer ist in Wirklichkeit eine Geheimtür. Ich ziehe sie auf und dahinter kommen ein paar grobe Holzstufen zum Vorschein. Im Keller brennt schwaches Licht und ich höre Fetzen von Stimmen. Raven und Tack streiten sich – mal wieder – und ich höre, wie Tack gequält sagt: »Ich verstehe einfach nicht, warum wir nicht ehrlich zueinander sein können. Wir stehen schließlich auf derselben Seite.«
    Raven erwidert mit scharfer Stimme: »Du weißt, dass das unrealistisch ist, Tack. Es ist das Beste so. Du musst Vertrauen zu mir haben.«
    »Du bist diejenige, die kein Vertrauen zu …«
    Seine Stimme bricht abrupt ab, als ich die Tür etwas lauter als normal schließe, damit sie mich hören. Ich finde es furchtbar, wenn Tack und Raven sich streiten – bevor ich in die Wildnis geflohen bin, habe ich nie Erwachsene streiten hören –, obwohl ich mich mit der Zeit etwas daran gewöhnt habe. Es blieb mir nichts anderes übrig. Es scheint, als gäbe es immer irgendwas, weswegen sie aneinandergeraten.
    Ich gehe die Treppe hinunter. Tack wendet sich ab und streicht sich mit der Hand über die Augen. Raven sagt barsch: »Du kommst spät. Die Versammlung war schon vor Stunden zu Ende. Was war los?«
    »Ich habe den ersten Schwung Busse verpasst.« Bevor Raven mir eine Standpauke halten kann, füge ich schnell hinzu: »Ich hatte meinen Handschuh

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