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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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einen Schritt zurück und mustert die Tür, streicht mit den Händen über den Türrahmen, als überprüfte er seine Stabilität. »Wir haben zu Hause am Tor auch so eine Tastatur«, sagt er. Er fährt immer noch mit den Fingern über den Rahmen und befühlt Risse im Lack. »Ich vergesse dauernd den Code. Dad ändert ihn ständig – es gibt zu viele Arbeiter, die ein und aus gehen. Deshalb mussten wir ein System entwickeln, eine Reihe von Hinweisen. Ein Code im Code – kleine Zeichen, die am Tor und drum herum angebracht sind, die ich bekomme, sobald sich der Code ändert.«
    Plötzlich fällt der Groschen: der Sinn seiner Worte und der Weg nach draußen.
    »Die Uhr«, sage ich. Sie hängt über der Tür. Sie ist stehengeblieben: Der kleine Zeiger hängt etwas über der Neun und der große zeigt auf die Drei. »Neun und drei.« Trotzdem bin ich unsicher. »Aber das sind nur zwei Zahlen. Meistens braucht man vier Zahlen, oder?«
    Julian tippt 9393 ein und versucht die Tür zu öffnen. Nichts. 3939 funktioniert auch nicht.
    »Scheiße.« Julian schlägt frustriert mit der Faust auf die Tastatur.
    »Okay, okay.« Ich hole tief Luft. Ich war nie gut in Codes und Rätseln; Mathe war immer eins meiner schlechtesten Fächer. »Wir müssen nachdenken.«
    In diesem Augenblick werden die Stimmen unten im Flur wieder lauter. Eine Tür öffnet sich einen Spaltbreit.
    Der Albino sagt: »Das überzeugt mich immer noch nicht. Ich finde, wenn sie nicht zahlen, spielen wir nicht länger mit …«
    »Julian.« Ich strecke die Hand aus und packe ihn am Ellbogen, von plötzlichem Entsetzen erfasst. Der Albino tritt auf den Flur. Er wird uns jeden Moment sehen.
    »Scheiße«, haucht Julian erneut, kaum ein Atemzug. Er tritt von einem Fuß auf den anderen, als wäre ihm kalt, aber er hat bestimmt genauso viel Angst wie ich. Dann plötzlich erstarrt er: »Neun Uhr fünfzehn«, sagt er, als die Tür ein weiteres Stückchen aufgeht.
    »Was?« Ich umklammere fest das Messer und bewege den Kopf schnell zwischen Julian und der Tür hin und her, die immer weiter aufgeht.
    »Nicht neun-drei. Neun Uhr fünfzehn. Null-neun-eins-fünf.« Er hat sich bereits wieder über die Tastatur gebeugt und tippt energisch die Nummern ein. Ein leises Summen ertönt und dann ein Klicken. Julian drückt gegen die Tür und sie öffnet sich, als die Stimmen hinter uns noch lauter werden, und wir huschen in den nächsten Raum, gerade in dem Moment, als hinter uns die Schmarotzer die ersten Schritte auf den Flur hinaustreten.
    Julian zieht leise die Tür hinter uns zu.
    Wir sind in einen weiteren Raum gelangt, er ist groß, mit hoher Decke, und hell erleuchtet. Die Wände sind von Regalen gesäumt, die so vollgepackt sind mit Sachen, dass sich das Holz an einigen Stellen unter dem Gewicht gebogen und verzogen hat: Packungen mit Lebensmitteln, Wasserkanister und Decken, aber auch Messer, Silberwaren und Haufen aus verheddertem Schmuck; Lederschuhe und Jacken; Gewehre, hölzerne Polizeiknüppel und Dosen mit Pfefferspray. Dann sind da auf dem Boden verstreute Radioteile, ein alter Holzschrank, lederbezogene Hocker und eine Truhe voll kaputtem Plastikspielzeug. Am anderen Ende des Raums befindet sich eine Betontür, kirschrot gestrichen.
    »Los, komm.« Julian packt mich grob am Ellbogen und zieht mich darauf zu.
    »Nein.« Ich reiße mich los. Wir wissen nicht, wo wir sind, und wir haben keine Ahnung, wie lange es dauern wird, bis wir entkommen können. »Hier gibt es was zu essen. Waffen. Wir müssen uns ausrüsten.«
    Julian macht den Mund auf, um mir zu antworten, als aus dem Flur Schreie und das Getrampel von Schritten zu vernehmen sind. Der Wachmann hat irgendwie Alarm geschlagen.
    »Wir müssen uns verstecken.« Julian zieht mich zum Schrank. Darin riecht es nach Mäusedreck und Schimmel.
    Ich schließe die Schranktüren hinter mir. Hier drin ist so wenig Platz, dass Julian und ich praktisch aufeinandersitzen müssen. Ich nehme meinen Rucksack auf den Schoß. Mein Rücken ist an Julians Brust gedrückt und ich kann spüren, wie sie sich hebt und senkt. Trotz allem bin ich froh, dass er bei mir ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es allein überhaupt so weit geschafft hätte.
    Die Tastatur summt erneut, die Tür zum Vorratsraum wird aufgestoßen und knallt gegen die Wand. Unweigerlich zucke ich zusammen und Julian legt seine Hände auf meine Schultern. Er drückt einmal kurz, eine kleine bestärkende Geste.
    »Verdammte Scheiße!« Das ist der Albino; die

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