Pandoras Tochter
nicht anständig erledigt hat. Aber falls wir Darnell in die Finger kriegen, können wir ihn vielleicht überreden, Molino eine Falle zu stellen.«
»Wie wollt ihr ihn überreden?«, wollte Megan wissen.
Er hob eine Braue. »Nicht durch Folter. Obwohl ich sie anwenden würde, wenn es sein müsste. Zu diesem Zeitpunkt würde ich alles tun, was nötig ist. Aber möglicherweise ist es effizienter, auf Tricks zurückzugreifen, die dir nicht ganz geheuer sind. Ich bin ein Kontrolleur, und es gibt nicht viele Menschen, die ich nicht beeinflussen kann. Dir würde es nichts ausmachen, wenn ich Darnell dazu bringen könnte zu tun, was wir wollen – sehe ich das richtig?«
»Ja.«
»Ich schätze, ich sollte auch für kleine Zugeständnisse dankbar sein.« Er drehte sich weg. »Manchmal glaube ich, du hast genau solche Vorurteile wie Molino, was die sogenannten Freaks angeht.«
»Das wäre irrational, wenn man bedenkt, dass ich selbst einer bin.«
»Aber im tiefsten Inneren hast du noch Probleme, das zu akzeptieren.« Er betrat den Flur. »Übrigens, Harley macht gerade Frühstück – es dürfte in einer halben Stunde fertig sein. Komm nicht zu spät runter. Harley ist immer sauer, wenn seine Rühreier kalt werden.«
»Gott behüte.« Sie warf das Foto auf den Nachttisch und machte sich auf den Weg ins Bad. Sie war froh, dass Gradys Neuigkeit über Tim Darnell die Entmutigung, die sie beim Betrachten des Fotos empfunden hatte, ausgleichen konnte. Dass sie nicht mehr komplett im Nebel stocherten, hatte ihre Laune beträchtlich gebessert. Es mochte frustrierend und nervenaufreibend sein, warten zu müssen, bis sich etwas Neues ergab und sie endlich Molino an den Kragen gehen konnten. Aber zumindest machten sie winzige Fortschritte.
K APITEL 17
M
egans Handy klingelte am späten Nachmittag. Dr. Jason Gardners Nummer war auf dem Display. Hoffnung keimte auf. Er hatte gesagt, dass er nur anrufen würde, wenn es etwas Neues gab.
O Gott, bitte lass es eine gute Nachricht sein.
»Wie geht’s Phillip?«, fragte sie sofort. »Sie dachten doch, dass eine Veränderung vor sich ginge. Zum Guten oder zum Schlechten?«
»Nicht aufregen«, warnte Gardner. »Ich kann nichts versprechen. Ich habe Ihnen erzählt, dass Ihr Onkel …«
»Hat sich sein Zustand gebessert? Spielen Sie nicht den Diplomaten, und reden Sie mit mir.«
»Ich glaube, es geht ihm besser. Zweimal hat er meine Hand gedrückt, als ich ihm eine Frage stellte, die er mit Ja oder Nein beantworten sollte.«
»Sind Sie sicher?«
»Es war ein schwacher Druck, aber ich glaube nicht, dass es ein Reflex war. Die Geräte zeigen keine Veränderung an, trotzdem könnte es ein Anfang sein.«
»Gott sei Dank.«
»Allerdings brauchen wir einen Durchbruch. Es ist, als würde er durch ein Labyrinth irren und den Ausgang nicht finden. Ich hatte schon ähnliche Fälle, doch nach ein paar Wochen ließen die Reaktionen nach. Ich darf ihn nicht wieder abgleiten lassen.«
»Was können wir tun?«
»Ich halte mich so oft bei ihm auf, wie es mir meine Arbeit erlaubt. Meine Oberschwester Madge Holloway ist die restliche Zeit bei ihm. Wir sprechen mit ihm. Stellen ihm Fragen. Aber«, fuhr er fort, »ich glaube, wir brauchen einen persönlicheren Kontakt – jemanden, den er kennt und der ihm am Herzen liegt, so dass er sich ein bisschen mehr anstrengt zurückzukommen.«
»Er braucht mich?«
»Ja, ich denke, Ihre Anwesenheit wäre … hilfreich.«
»Ich bin heute Abend noch bei Ihnen. Sind Sie dann in der Klinik, damit ich mit Ihnen sprechen kann?«
»Ich erwarte Sie. Um wie viel Uhr?«
»So gegen neun. Wir müssen hier einiges planen. Welche Zimmernummer hat er?«
»Vierzehn B am Ende des Korridors.«
»Ich werde da sein.«
»Ich erwarte Sie. Danke, Dr. Blair.«
»Nein, ich danke Ihnen.« Sie legte auf und wirbelte zu Grady herum. »Phillip erwacht vielleicht aus dem Koma.«
»Das ist wundervoll«, erwiderte er ruhig »Weniger schön ist, dass du beabsichtigst, zu ihm zu fliegen.«
»Das kannst du mir nicht ausreden. Er braucht mich.«
»Ich würde nicht im Traum daran denken, dich davon abzuhalten. Für sinnlose Unterfangen bin ich nicht zu haben. Es war lediglich eine Feststellung.«
»Besser, als hier herumzusitzen und Däumchen zu drehen. Ich habe die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun. Vielleicht kommt es auf meine Anwesenheit an, ob er aus dem Koma erwacht oder nicht.«
»Okay.« Grady stand auf. »Dann lass mich alles so arrangieren, dass es so sicher wie
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