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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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das grobe Gewand und erschrak, als er erkannte, dass die Ori darunter nackt war.
    »Ach du Scheiße!«, entfuhr es ihm.
    Aber es gab keine Alternative, wenn er die Wunde verbinden wollte. Außerdem war es ohnehin zu spät. Das Gewand fiel bereits zu beiden Seiten von dem Mädchen ab und legte den Körper frei. Sariel versuchte, nicht hinzusehen. Sie war verletzt und brauchte seine Hilfe, das allein zählte. Schnell bedeckte er sie mit der Tierhaut, schnitt Streifen aus ihrem Gewand heraus und besaß nun ausreichend Material, um ihr einen dicken Verband anzulegen. Eigentlich hätte man die Wunde nähen oder klammern müssen. Aber fürs Erste würde es so gehen. Sariel stellte zufrieden fest, dass er immer noch genug aus den unzähligen Erste-Hilfe-Kursen behalten hatte, in die ihn seine Mutter geschickt hatte. Hingegen nichts aus seinen Lehrträumen. Die verdammten Sari hatten ihn nicht auf eine Verletzung vorbereitet, sondern offenbar nur auf einen glatten Sieg.
    Sie trug noch ihren Rucksack. Sariel griff hinein und stieß auf einen Vorrat der schleimigen Pilzart und ein Seil. Nicht allzu lang, aber es genügte, um das Mädchen zu fesseln. Um sie beide gemeinsam abzuseilen, war es allerdings zu kurz.
    Das nächste Problem. Ohne ausreichend langes Seil würden sie niemals von diesem Plateau absteigen können.
    Ich brauche ein Seil! Ein Seil, verdammt!
    Im nächsten Moment baumelte plötzlich ein Seil vor seiner Nase. Sariel erschrak, schaute hinauf und erwartete, weitere Ori zu sehen, die bereits auf ihn zielten. Aber er sah nur den Kalmar. Der hielt das andere Ende des Seils in einem seiner Tentakel und lugte aufmerksam zu Sariel herunter.
    Ich fasse es nicht, dachte Sariel. Ein Tintenfisch als Bergführer! Und er kann meine Gedanken lesen!
    Absolut verrückt. Aber in einer so verfahrenen Lage war man nicht wählerisch. Der Kalmar besaß bestimmt genug Kraft, um ihn und das Mädchen hinaufzuziehen. Einen Versuch war es wert. Sariel zog kräftig an dem Seil, um zu testen, ob der Kalmar es auch wirklich hielt.
    Ein kurzer Gegenruck von oben. Als ob der Kalmar ihm signalisierte, dass alles in Ordnung sei.
    Versteht der mich wirklich? Um das auszuprobieren, zupfte er zweimal am Seil. Die Antwort kam prompt: zwei Rucke von oben.
    Sariel hielt das Seil fest. Und dreimal?
    Erneut eine prompte Antwort. Sariel spürte drei kurze Rucke am Seil. Gleichzeitig spürte er ein Gefühl strenger Missbilligung, das über das Seil zu ihm zu dringen schien.
    Es kommt von dem Kalmar! Ich glaub es nicht. Der spricht mit mir!!!
    Ein Gefühl von Zustimmung und Nachdruck von oben.
    Anders als der erste Kalmar, den Sariel getroffen hatte, schien der Koloss da oben mithilfe von Emotionen mit ihm reden zu können. Sofern man es »reden« nennen konnte. Aber die Gefühle, die der Kalmar von oben über das Seil schickte, waren eindeutig: Sariel sollte sich beeilen.
    Und das tat er nun.
    Aus dem Ende des herabbaumelnden Seils knotete er eine Doppelschlaufe, in die er das Mädchen hineinlegen konnte wie in eine offene Röhre. Eine Schlaufe unter den Achseln, die andere um die Beine. Sariel ruckelte wieder am Seil.
    Langsam hoch! Langsam!
    Und genau das tat der Kalmar.
    Das Seil straffte sich ein wenig und wurde sehr behutsam angezogen. Das Ori-Mädchen lag in der Doppelschlaufe und schwebte bewusstlos in Brusthöhe vor Sariel.
    Ein letztes Mal prüfte Sariel die Haltbarkeit der Knoten und die Balance ihrer Lage, dann umfasste er das Seil mit beiden Händen an der höchsten Stelle, die er stehend noch erreichen konnte, schwang sich hoch, zog die Beine an und hielt das Seil mit seinen Füßen, um die Schwingungen halbwegs abzudämpfen.
    Hoch! Aber vorsichtig!
    Und wieder schien der Kalmar oben ihn zu verstehen. Mit der Kraft und Präzision eines Lastkrans hievte er Sariel mitsamt dem verletzten Ori-Mädchen hinauf. Gleichmäßig, langsam, vorbei an scharfkantigen Felsvorsprüngen, immer höher hinauf. Nur hin und wieder musste Sariel mit den Füßen für Abstand zur Felswand sorgen. Wie ein Fahrstuhl brachte der Kalmar sie beide aus der Tiefe hinauf in Sicherheit.
     

Feinde
    Das Erste, was Liya spürte, war der Schmerz in ihrem Bein. Sie sah das Bild ihrer Mutter vor sich, die ihr aus der Ferne eine Warnung zurief, lautlos und unverständlich. Dann verblasste das Bild und der Schmerz holte sie zurück in die Welt. Ein Schmerz, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Tränen, die ihr seitlich die Wange hinabrannen. Da wusste Liya, dass sie

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