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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Orisalaama befand. Immerhin also stimmte die Richtung.
    Zwölf Tage voller Gefahren. Am zweiten Tag der Durchquerung stießen sie auf Kluftschleicher, marderartige Tiere mit dichtem graubraunen Fell, fünfmal größer als Marder und kein bisschen putzig. Biao entdeckte sie als Erster und seine Haut verfärbte sich hellgrün mit schwarzen Flecken. Ein Zeichen von Gefahr, wie Sariel inzwischen wusste.
    Liya hob ihr Shi, legte an und zielte auf einen Hang in der Nähe. Sariel versuchte, der Schusslinie des tödlichen Eisdorns zu folgen, und sah, wie im Hellgrau der gegenüberliegenden Felswand etwas Fellartiges in die Tiefe stürzte. Sariel konnte es kaum erkennen, nur dass es sehr groß gewesen war.
    »Meistens jagen sie Rüsselschweine«, klärte ihn Liya über Kluftschleicher auf. »Aber wenn keine in der Nähe sind, dann nehmen sie auch Menschen. Und sie kommen niemals allein.« Liya deutete auf verschiedene Stellen im Fels, und nun sah auch Sariel gut zwei Dutzend dieser Tiere, die in einer lang gestreckten Linie mit großer Geschicklichkeit und äußerst schnell den Fels hinabkletterten. »Gefährliche Biester, aber zum Glück ziemlich dumm«, meinte Liya und lenkte sie mit einem Teil ihres Vorrats an Mondtränen ab. Bevor sie mit Biao flohen, erlegte sie noch einen weiteren Kluftschleicher, und am Abend konnte Sariel zusehen, wie sie das große Tier ohne Zögern waidgerecht ausnahm. An jenem Abend aß Sariel zum ersten Mal seit Langem wieder Fleisch. Und fand es köstlich.
    Überhaupt mochte er die Abende mit Liya am Feuer. Ihr Bein machte sich, die Schmerzen ließen nach, und nachdem sie gegessen hatten, begann sie eines Abends, Geschichten zu erzählen, alte Märchen der Ori. Ihre Stimme entführte Sariel weit weg in eine Welt, die noch fantastischer war als Pangea selbst, und Sariel begann sich zu wünschen, dass sie nie mehr aufhören möge zu erzählen. Weil es nachts selbst so nah am Feuer noch sehr kalt war, saßen sie nah beieinander. Nah genug, dass Sariel sie riechen konnte. Liya roch nach Rauch, nach Stein, nach dem ranzigen Fett des erlegten Kluftschleichers und ein bisschen nach Haut. Sie roch sehr gut.
    Unterwegs sprachen sie nur wenig. Immer wieder machte Sariel Anläufe, die Langeweile des Ritts zu durchbrechen und Liya Fragen über das Leben der Ori zu stellen, aber sie reagierte unwirsch und schien ganz in ihre Gedanken versunken. Einmal glaubte Sariel zu hören, dass sie ein Lied summte, aber als er sie danach fragte, verstummte sie sofort wieder. In den ganzen zwölf Tagen erfuhr er nicht mehr über Liya, als dass sie einen berühmten Vater hatte, zwei Brüder, dass ihre Mutter vor nicht allzu langer Zeit durch den Angriff von irgendwelchen Raubvögeln umgekommen war und Liya schon immer eine Zhan-Shi-Kriegerin werden wollte. Erst abends am Feuer erzählte sie, manchmal stundenlang. Sariels einzige Erklärung für ihr seltsames Verhalten war, dass sie sich nicht allzu sehr mit ihm anfreunden wollte, falls ihre Leute ihn nachher doch noch umbringen würden. Und vielleicht waren ihre Märchen am Lagerfeuer eine Art Beschwörungsritual dagegen. Vielleicht fürchtete sie sich auch einfach nur im Dunkeln. Sariel wurde jedenfalls nicht richtig schlau aus Liya. Er fing an, sie zu mögen, sehr zu mögen. Gleichzeitig blieb sie ihm fremd und unheimlich.
    Auf ihrer Reise erkannte Sariel, dass das gigantische Regenschattengebirge nicht unbewohnt war, auch wenn sich nur wenige Tierarten in den lebensfeindlichen Höhen behaupten konnten. Mehrfach sah er jedoch einen großen blauen Vogel mit vier Flügeln hoch am Himmel über ihnen kreisen. Liya nannte ihn Windstürmer und erklärte Sariel, dass er im Winter auf der Savannenseite des Gebirges lebte und erst im Sommer, wenn die Savanne austrocknete und das Nahrungsangebot knapp wurde, Tausende von Kilometern zurücklegte, um im Regenschattengebirge zu jagen und zu brüten. Sein Gefieder besaß eine Schutzschicht gegen die gefährliche ultraviolette Strahlung in der Höhe und hatte daher seine ungewöhnliche blaue Farbe. Sariel wunderte sich, dass die Ori so viele biologische Details wussten. Offenbar hatten auch sie eine Art Wissenschaft entwickelt. Auch wenn sie keine Zeitmaschinen bauten. Allerdings schien das Ding im Rucksack Liya weniger Angst zu machen als Sariel, der immer noch befürchtete, dass es unversehens hochgehen könne.
    Liya schien die Funktionsweise irgendwie zu verstehen. Sie wusste viel.
    »Sind Windstürmer Raubvögel?«, fragte

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