Pangea - Der achte Tag
killen. Er war mit einem Überschallflugzeug abgestürzt und später fast getötet worden. Man hatte ihn gefangen genommen, und er war geflohen und war nun auf einem riesigen Oktopus unterwegs, um ein Mädchen aus dem Nichts zu befreien und Pangea vor dem Untergang zu retten. Was auch immer er an seinem früheren Leben vermisste - dieses Leben war hundertmal aufregender.
Liya wollte alles über Schokoriegel, Skateboards und MP3-Player wissen. Doch je länger Sariel davon erzählte, desto mehr erschien ihm das alles wie uralte Erinnerungen, die man aus den Kisten und Schachteln seines Gedächtnisses hervorkramt, abstaubt und nur noch mit milder Verwunderung betrachtet. Während er Liya die Bücher beschrieb, die er verschlungen und geliebt hatte, erkannte er, wie fremd sie ihm nun waren. Seine alte Existenz verblasste, trat zurück und verging. Das erschreckte und elektrisierte ihn zugleich, und ihm wurde bewusst, dass er sehr bald eine Entscheidung treffen musste.
»Was für eine Entscheidung?« Sie passte auf. Sariel verfluchte sich dafür, dass er seinen Gedanken freien Lauf gelassen hatte.
»Gar keine«, murmelte er und versuchte es mit einem Themawechsel. »Möchtest du wissen, was Skifahren ist?«
»>Lenk nicht ab. Was für eine Entscheidung wirst du treffen müssen?«
»Wie ich dich da raushole«, log er, und sie merkte es.
»>Verarsch mich bloß nicht, ich krieg's ja doch raus.«
»Ich verarsch dich nicht.«
»Wenn du irgendwas vorhast, wenn du irgendein krummes Ding drehst oder mich einfach fallen lässt, verfolge ich dich dein Leben lang durch alle Träume, durch alle Gedanken, jeden Tag, jeden Moment deines Lebens. Dein Leben wird die Hölle sein!«
»Du brauchst mir nicht zu drohen. Glaub mir, ich hab keine Lust, dass du für immer in meinem Kopf bist.«
»Schade, eigentlich.«
Sariel seufzte. Mädchen würde er niemals verstehen.
»Besser so.«
Sariel wollte mit einem lässigen Spruch antworten - als er spürte, dass Biaos Stimmung sich veränderte. Liya - wo auch immer sie sich gerade befand - spürte es auch.
»Biao hat etwas entdeckt!«
»Ich hab's schon gemerkt.«
Sie hatten wieder eine jener kaum erkennbaren Kreuzungen von Kalmarpfaden erreicht. Biao blieb stehen und teilte mit seinen beiden Fangtentakeln vorsichtig das hohe Gras zu beiden Seiten des Trampelpfades. Ein paar Rotsäcke huschten hervor und suchten Deckung. Jetzt roch Sariel auch den Verwesungsgeruch. Biao nestelte weiter im Gras herum und fördert einen Tierkadaver hervor. Er war noch relativ frisch, vermutlich hatte das Tier vor wenigen Stunden noch gelebt.
»Was ist da?«
»Biao zeigt mir einen Kadaver.«
»Schau ihn dir genau an! Wenn Biao dir was zeigt, muss es wichtig sein.«
Sariel überwand seinen Ekel, hielt die Luft an und betrachtete das blutige Gerippe näher, an dem nur noch wenige Fleischfetzen hingen.
»Erkennst du was?«
»Ein frischer Riss, glaube ich. Ziemlich zerfleddert. Da waren schon eine Menge Tiere dran. Nichts Besonderes.«
»Es muss was Besonderes sein!«
Sariel wusste, dass sie recht hatte, griff nach Biaos Tentakel und zog ihn weiter zu sich. Er drehte den Kadaver leicht in der Mittagssonne, um ihn besser untersuchen zu können. Er hatte zwar keine Ahnung, um welches Tier es sich gehandelt hatte, er musste sogar genau hinsehen, um vorne und hinten unterscheiden zu können, aber dem Körperbau nach musste es die Größe eines ausgewachsenen Hundes gehabt haben. Schwere Knochen und dicke Sprunggelenke.
Und dann sah er es.
»Hier ist was. Einer der Schulterknochen hat ein Loch.«
»Was für ein Loch?«
»Ein Loch halt. Fast kreisrund. Ich könnte meinen Finger durchstecken.«
»Das Einschussloch eines Shi. Mingan war hier.«
»Woher willst du das wissen? Es könnte doch irgendein Ori gewesen sein.«
»Glaub mir, es war Mingan. In den letzten Tagen waren keine Patrouillen unterwegs. Es kann nur Mingan sein. Sie hat sich verteidigt oder gejagt. Wo lag der Kadaver?«
»Neben unserem Weg, auf einem anderen Pfad. Seltsam, der Pfad führt vom Vulkan weg nach Süden.«
»Mingan hat irgendwas vor. Und du musst jetzt deine erste Entscheidung treffen. Entweder folgst du Mingan, oder du versuchst, so schnell wie möglich den Ngongoni zu erreichen, um ihr dort den Weg abzuschneiden.«
»Was meinst du, was sie vorhat?«
»Keine Ahnung. Aber Mingan kennt sich in der Savanne aus. Wenn sie die Richtung ändert, dann hat sie ihre Gründe.«
Sariel blickte nach Süden und versuchte, den Verlauf
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