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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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über die Schultern und hätte jede Orientierung unmöglich gemacht.
    »Kann dein Kalmar nicht schneller?«, fragte er besorgt.
    »Sag bloß nichts gegen Biao! Er ist der beste und klügste und treueste und tapferste Kalmar, den es gibt!«
    »Aber er kommt mir irgendwie lahm vor, ich meine, für seine Größe. Gibt es nicht irgendeinen Trick, wie man Kalmare antreibt?«
    »Wage es bloß nicht!«, zischte Liyas Stimme in seinem Kopf. »Wenn du ihn schlägst oder so was, dann...«
    »Dann?«
    »... dann kannst du dir deinen Weg alleine suchen und dich auffressen lassen. Ohne mich bist du hier verloren.«
    Sariel stöhnte. Mädchenlogik! »Und ohne mich wirst du auf alle Ewigkeit im Nichts festklemmen wie ein Stück Salami in einer Zahnlücke.« Das saß offensichtlich. Sie schwieg eine Weile, schien zu überlegen.
    »Was ist Salami?«, fragte sie unvermittelt.
    »Eine Wurstart.«
    »Was ist Wurst?«
    Sariel rollte mit den Augen. »Was zum Essen.«
    »Roll nicht mit den Augen, sondern erklär's mir. Mir ist stinklangweilig hier und ich habe eine Scheißangst. Also gib dir gefälligst ein bisschen Mühe, halt mich bei Laune und erzähl mir was von deiner Welt.«
    »Sollten wir nicht besser auf den Weg aufpassen?«
    »Mach dir keine Sorgen. Sobald Biao Gefahr spürt, kriege ich es mit und warne dich. Also... wie schmeckt Salami?«
    Sariel unterdrückte den Impuls, sie darauf hinzuweisen, dass er ebenfalls Biaos Stimmungen fühlen konnte. Im Augenblick jedoch war der langsame Kalmar ruhig und folgte einem schmalen Trampelpfad, der sich verschlungen durch das Steppengras zog. Vermutlich eine jener uralten Kalmarrouten, von denen Liya ihm erzählt hatte. Hin und wieder kreuzten andere Trampelpfade ihren Weg, doch Biao schien immer genau zu wissen, in welche Richtung er gehen musste. Die Navigation war ohnehin nicht schwierig. Unübersehbar ragte der Ngongoni in der Ferne vor ihnen auf. Zum Greifen nah in der klaren Luft, doch auch hier machte sich Sariel keinerlei Illusionen. Bei dem augenblicklichen Tempo würden sie noch mindestens zwei Tage brauchen, durch trügerisch friedliche Landschaft, die ungeahnte Gefahren barg. Sariel wandte sich oft um und hielt nach seinen Verfolgern Ausschau. Einmal vor Stunden hatte er am Horizont zwei schwarze Punkte entdeckt. Vielleicht zwei Kalmare auf der großen Reise, vielleicht aber auch Späher der Ori. Sariel befürchtete, dass sie längst wussten, wo er war, und er geradewegs in eine Falle ritt.
    »Mach dir nicht in die Hosen, sie sind noch weit.«
    »Danke, sehr hilfreich. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du nervst?«
    »Meine Brüder. Jeden Tag.« Ihr Kichern plätscherte wie Aprilregen in die Steppe. Ein schönes Geräusch.
    »Ja, du hast gut kichern!«, sagte Sariel dennoch. »Du wirst ja auch nicht verfolgt!« Und biss sich auf die Lippen, noch im gleichen Moment.
    »Danke. Vielen Dank. Sehr einfühlsam.«
    »Tut mir leid ... Ehrlich. Ist mir so rausgerutscht.«
    Sie antwortete nicht. Und dann, nach einer Weile ...
    »Erklärst du mir jetzt endlich, was Salami ist?«
    Pangea. Eine Welt, so groß und weit wie aus einem Traum. Eine Welt, die darauf wartete, entdeckt zu werden.
    Die Savanne war grün und die Luft schmeckte nach Gras und Blüten. Eine kräftige Brise trieb bauschige weiße Wolkenberge über einen blitzblauen Himmel von Südost nach Nordwest, malte Schatten auf die Steppe. Gegen Abend würden diese weißen Wolkenriesen unter Blitzen aufflammen, das Grollen der Gewitter würde über die Steppe zittern, und jedes Lebewesen, das fühlen und sich fürchten konnte, würde wieder glauben, dass es einen Gott gab.
    Während Sariel Liya von seiner alten Welt erzählte - von Salami und Hamburg, vom Kater, seinen Eltern, von der Schule, von den tausend Dingen, die man mögen oder hassen konnte und die so natürlich zu jenem Leben dazugehört hatten wie die Luft und das Glitzern der Alster an einem Sommertag -, betrachtete er die neue Welt um sich herum wie zum allerersten Mal. Und wirklich zum allerersten Mal begann er, Pangea zu mögen. Pangea war gefährlich und so fremd wie nichts sonst - aber hier fühlte sich Sariel, der einmal Huan geheißen hatte, wirklich frei. Er war jetzt kaum zwei Monate in dieser Welt. Man hatte ihn durch die Zeit entführt und zu einem Superstar gemacht. Er hatte zum ersten Mal mit einem Mädchen geschlafen, dem schönsten Mädchen, das er je gesehen hatte, und war für sie mit einer Höllenmaschine ausgezogen, um ein tödliches Virus zu

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