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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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herum. Dann löste sich Shan sanft von ihrem neuen Freund und stupste Sariel ein wenig an. Da kapierte Sariel, dass Shan seine Frage verstanden hatte und ihn führen würde.
    Ohne weiteres Zögern, beinahe wild entschlossen schlug sie sich nach links durch das dichte Grün und bahnte mit ihren Tentakeln einen kleinen Pfad für Biao und Sariel. Biao wollte Sariel beim Aufsitzen helfen, aber diesmal folgte Sariel Shan lieber zu Fuß, um sich auf Spuren zu konzentrieren. Dabei spürte er, dass Shan ihn schon die ganze Zeit auf etwas hinwies. Ein Gefühl verzweifelten Hasses, ungewöhnlich für einen Kalmar. Kurz darauf hatte Sariel verstanden: Dies war Mingans Spur. Mingans Hass war so stark, dass er für Sariel mit Shans Hilfe zu einem Wegweiser wurde.
    Auf dem ganzen Weg durch den Wald sah Sariel keinen einzigen Wald-Ori mehr. Dafür begleiteten ihn die Waldkalmare bei jedem Schritt. Sariel schätzte, dass es Hunderte sein mussten, die sich um ihn herum durch das dichte Geäst hangelten und von Baum zu Baum schwangen. Überall Bewegung. Sariel fühlte sich wie ein Schwimmer in einem dunklen grünblauen Meer, der auf einer großen Welle fortgetragen wird. Er ritt wieder auf Biao, der Shan in kurzem Abstand folgte, wobei er sie immer wieder wie zufällig mit einem seiner Fangtentakel streifte. Begleitet und beschützt von den Waldkalmaren, gab Sariel auch seine gewohnte Achtsamkeit auf und dachte wieder an Liya. Der Gedanke, dass sie tot war oder auf ewig im Nichts verschollen, quälte ihn, und er überlegte verzweifelt, ob es nicht eine Möglichkeit gab, nach ihr zu suchen. Sariel dachte an die Zeitvögel der Sari, die ihn entführt hatten. Doch erstens erschien es ihm leichter, eine Stecknadel in der Siringit zu finden als ein Mädchen in der Unendlichkeit von Zeit und Raum. Und außerdem hatte er aus Sicht der Sari längst die Seiten gewechselt; sie würden ihm wohl kaum helfen, seine Freundin zu retten.
    Falls sie noch zu retten war. Seine Freundin.
    Zum ersten Mal dachte Sariel daran, dass er Liya wirklich als Freundin betrachtete. Als einen Menschen, dem er voll und ganz vertraute und der ihm ebenso vertraut hatte. Und zum ersten Mal seit ihrer Begegnung im Regenschattengebirge wünschte er sich nichts sehnlicher und schmerzlicher, als ihre Hand zu halten.
    Sie zu küssen.
    Sariel erinnerte sich daran, wie viele Freunde er in letzter Zeit verloren hatte. Erst den Kater, dann Eyla, dann Liya. Und seine Eltern hatten ihn verloren. Er fragte sich, ob sie das inzwischen überhaupt bemerkt hatten oder ob die Vergangenheit einfach stillstand, solange er auf Pangea weilte. Noch so ein Rätsel, das er nicht lösen konnte. Also konzentrierte er sich lieber wieder auf seine Suche nach Mingan. Die Fährte ihres Hasses wurde jetzt immer deutlicher. Bald musste er sich überlegen, was er mit Mingan tun wollte, wenn er sie traf. Eines war klar: Sie würde ihn töten, falls sie die Gelegenheit dazu bekäme. Die Frage war, ob er das auch konnte.
    Der Weg wurde steiler. Die Waldkalmare sprangen zwar wie schwerelos von Baum zu Baum, aber Shan und Biao waren mit ihrer Masse deutlich langsamer. Dennoch schienen sie nicht müde zu werden und wirkten auch nicht, als ob ihnen der Wald unvertraut wäre. Eher als ob sie nach langer Abwesenheit wieder in ihre alte Heimat zurückkehrten. Sariel fragte sich, was Samahani damit gemeint hatte, dass die Kalmare ständig vom Krater träumten.
    Dichte Nebelbänke zogen jetzt immer öfter durch den Wald, hüllten die kleine Karawane ein, erstickten die Geräusche des Waldes und durchdrangen Sariel bis aufs Mark mit ihrer kalten Feuchtigkeit. Auf halber Höhe zum Krater lichtete sich der Wald schließlich und ging über in dichten Bewuchs aus rötlichen Nadelbüschen, an denen zartgrüne Beeren wuchsen. Horden von käferartigen Insekten bevölkerten diese Büsche, ernteten die Beeren und transportierten sie in langen Kolonnen in ihre unterirdischen Bauten. Liya hätte ihm die Büsche und die Käfer sicher erklären können, aber Liya gab es nicht mehr.
    Immer wieder passierten sie jetzt breite, längst erkaltete Lavaströme. Schwarzgrauer, poröser und scharfkantiger Stein mit schwefeligem Glanz, der sich einst rot glühend in breiten Schlieren den Berg hinabgewälzt hatte. Stellenweise war die Lava mit Kolonien von Mondtränen bewachsen, aber nicht so dicht, wie Liya ihm die großen Vorkommen am Fuße des Vulkans beschrieben hatte. Die Pilze hier oben in der Höhe schimmerten bläulich, waren

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