Pangea - Der achte Tag
Freiheiten und Privilegien herausnehmen konnte. Und dieser Gedanke begann, ihm zu gefallen.
Eyla hatte offenbar verstanden, dass die vielen Menschen ihn erschreckten, denn sie brachte ihn in den nächsten Tagen nur mit wenigen Leuten zusammen. Zumeist ältere Sari, die ihm geduldig erklärten, wie seine neue Welt funktionierte: die allernötigsten Grundlagen der Gentechnik und der Physik der Zeitreisen, die Gesellschaftsform der Sari und rudimentär auch der Ori, einen geschichtlichen Abriss jener Jahrhunderte, die zwischen seiner Entführung und dem Kometeneinschlag lagen. Eyla zeigte ihm, wie man die Hiks bediente, und er fand Gefallen daran, damit durch die Stadt zu heizen. Am interessantesten waren jedoch die Gespräche mit den Biologen, die ihm die völlig andersartige Tier- und Pflanzenwelt der neuen Erde erklärten. Soviel sie eben selbst darüber wussten. Am unheimlichsten, aber auch am faszinierendsten fand Sariel die gigantischen Oktopusse, die inzwischen zu Landbewohnern geworden waren und die Savannen und Regenwälder von Pangea bewohnten. Sariel staunte, als man ihm erklärte, dass die Ori sie als Reittiere benutzten und ihnen sogar eine gewisse Intelligenz nachsagten.
Lin-Ran sah er nicht in diesen Tagen, auch nicht den Arzt. Einmal sah er Khanh aus der Ferne in einem der Labors und bemerkte wieder seinen feindseligen Blick. Dennoch grüßte Khanh ihn mit dem respektvollen »Gruß Sariel!«, das ihm hier offenbar gebührte. Sariel war allerdings nicht mehr eifersüchtig, denn Eyla brachte ihn nicht mehr zu irgendwelchen Partys, und sobald es Abend wurde, zog sie ihn ohne weitere Umstände ins Bett, und sie schliefen miteinander bis zur Erschöpfung.
So verging eine Woche wie im Rausch, und Sariel begann zu verdrängen, warum er bei den Sari war.
Bis Eyla ihn fragte. »Wann wirst du dich entscheiden?« Sie hatten gerade miteinander geschlafen. Sariels Hand ruhte auf ihrem Bauch und er rechnete mit einer baldigen Wiederholung. Daher überrumpelte ihn die Frage.
»Was meinst du?«
»Du weißt schon.«
Sariel zögerte. Ihr Ton klang anders plötzlich, bestimmter, erfüllt von etwas, was ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
Er überlegte. »Was wird passieren, wenn ich nicht gehe?« Sie richtete sich etwas auf und blickte ihn erstaunt und prüfend an. Als sähe sie ihn zum ersten Mal. »Dann bist du nicht mehr der Sariel.«
Klang irgendwie logisch.
»Und was bedeutet das?«
»Du wirst eine große Enttäuschung für uns alle sein, aber wir werden dich trotzdem in der Gemeinschaft aufnehmen. Man wird dir eine Wohnung in der Nähe der Toten Häuser und eine einfache Aufgabe zuweisen.«
»Ihr könnt mich doch zurückschicken. Dann seid ihr mich los. Und du könntest mitkommen.« Ein Anflug von Ärger huschte über ihr schönes Gesicht. Sie rückte ein wenig von ihm ab.
»Sei nicht naiv! Wenn du nicht gehst, wird man keine kostbare Energie verschwenden, um dich in deine Zeit zurückzuschicken! Und ich werde dich natürlich verlassen. Ich bin die Frau des Sariel. Wenn du nicht mehr der Sariel bist, gehöre ich dir nicht mehr.«
Auch ganz logisch. Sariel verfluchte sich im Stillen für die Frage. Er wollte ihre Hand ergreifen, um sie wieder an sich zu ziehen, doch sie entwand sich seinem Griff.
»Ich finde, es wird langsam Zeit, dass du dich entscheidest.« Sie erhob sich und sammelte ihre Kleidung ein.
»Was tust du?«
»Vielleicht willst du eine Weile allein sein, um dir alles gründlich zu überlegen. Wenn du dich entschieden hast, findest du mich bei meinem Vater.« Sie war inzwischen angezogen. Ohne weiteren Kuss oder Gruß verließ sie die Wohnung und ließ nur Stille und einen kühlen Luftzug zurück. Etwas Endgültiges lag in der Art und Weise, wie sie fortging.
Sariel rührte sich lange nicht auf seinem Bett, und je länger er liegen blieb, desto mehr wuchs seine Verzweiflung, und so allmählich wurde ihm klar, dass er es nicht aushalten würde, wenn Eyla ihn verließe. Dass es unerträglich wäre. Dass er für sie durch ein Meer aus Säure schwimmen würde. Dass er einfach alles für sie tun würde.
Schließlich wurde ihm kalt und er zog sich mit steifen Bewegungen an. Nach einem Schluck Nglirr ging es ihm besser. Er fühlte sich wacher, bereiter, lief unruhig in der Wohnung herum, blickte hinaus auf die untergehende Stadt, die alle Hoffnung in ihn setzte und auf seine Entscheidung wartete.
Die längst getroffen war. Er musste es nur noch aussprechen.
Sariel verlor keine Zeit
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