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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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der Katastrophe zu entrinnen. Liya mochte ihn plötzlich. Sie richtete sich etwas auf und blickte den Gon Shi jetzt direkt an. Ohne Scheu und ohne Furcht. Dafür gab es nun keinen Anlass mehr. Sie hatte die Prüfung bestanden.
    Sie war jetzt eine Zhan Shi.
     

Revolution
    In einem der Toten Häuser am Rand von Sar-Han fand zu diesem Zeitpunkt eine Versammlung statt. Die etwa fünfzig meist jungen Sari waren gut gekleidet und frisch gewaschen, ein Zeichen, dass sie zur Oberschicht der Sari gehörten, auch wenn es in Sar-Han immer noch als unfein galt, so etwas laut auszusprechen. Offiziell gab es keine Klassenunterschiede, offiziell galt immer noch die Doktrin von der genetischen Chancengleichheit: Jeder Sari fand einen Platz in der Gesellschaft entsprechend seinen Fähigkeiten und Neigungen, der ihm Wohlstand und soziale Achtung garantierte. In den dreihundert Jahren seit der Ankunft in der Neuen Zeit hatte sich dieser Grundsatz jedoch als unhaltbar erwiesen. Die völlige Isolation von der lebensfeindlichen Umwelt, die die Stadt von sämtlichen Ressourcen und vor allem vom Wasser abschnitt, hatte Elend und Neid in der Welt der Sari wachsen lassen wie Schimmel an einem schlecht belüfteten Ort. Die ungebrochene Zuversicht des obersten Rates in die überragende Technik der Sari und der blinde Glaube, der Sariel werde sie einst alle befreien, änderten nichts an der Tatsache, dass es den Sari zunehmend schlechter ging. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte traten seltsame Krankheiten auf, für die die Ärzte keine Erklärung und auch keine Therapie fanden. Keine schlimmen, tödlichen Krankheiten, meist nur unappetitliche und juckende Hautgeschicht en oder eine allgemeine große Mattigkeit. Aber allein der Umstand, dass Sari überhaupt krank wurden, war alarmierend und verstörend.
    Die überwiegende Mehrheit der Sari war dennoch nach wie vor der Meinung, dass es keinen anderen Weg gebe, als in der Vergangenheit einen Sariel zu finden, der das tödliche Virus besiegen würde. Die überwiegende Mehrheit der Sari war überzeugt, dass man so lange durchhalten müsse.
    Die überwiegende Mehrheit. Aber eben nicht alle.
    Die Sari, die sich in dem Toten Haus trafen, wollten etwas verändern. Sie waren sämtlich Kinder von Mitgliedern des mittleren und obersten Rates. Natürlich war keiner von ihnen je von einem Vater gezeugt und einer Mutter geboren worden, diese Fähigkeit hatten die Sari schon seit Jahrhunderten verloren. Sex war Teil der Freizeitgestaltung, mehr nicht. Zeugung, genetische Anpassung, Schwangerschaft und Geburt wurden automatisch im »Generations-Zentrum« vorgenommen. Die Eltern lieferten eine Haarprobe ab, aus der ihre Gene isoliert wurden, äußerten Wünsche über die zukünftigen Fähigkeiten ihres Kindes, und der Rest lief automatisch in den »Brütern« ab, bis die Eltern nach zehn Monaten ihr Baby abholen konnten.
    Trotz dieses technischen Verfahrens hielten die Sari nach wie vor an den uralten Familienbezeichnungen fest.
    Die jungen Sari saßen locker verstreut auf Stühlen und wirkten nicht wie Revolutionäre, eher wie ein Publikum vor einer Filmpremiere, aufgekratzt und bereit, sich zu amüsieren. Auch Eyla befand sich unter ihnen und wartete wie alle darauf, dass ihr Exfreund Khanh endlich zu ihnen sprechen würde. Schon seit einer Weile sprach er leise allein am Rand der Versammlung in die Luft. Also redete er mit irgendwem außerhalb. Eyla konnte nicht verstehen, was Khanh sagte, doch sie hörte seinen Tonfall. Er war ruhig, direkt und bekam manchmal diese Schärfe, die sie mochte. Sehr mochte. Khanh akzeptierte niemals ein Nein. Khanh bekam immer, was er wollte. Khanh war klug und schön und ehrgeizig. Khanh war ein geborener Anführer, ein Alphatier, ein König. Khanh war alles, was Eyla bewunderte. Aber das bedeutete nicht, dass sie ihn auch liebte. Eyla liebte Gewinner. Und Khanh musste erst noch beweisen, dass er ein Gewinner war.
    Khanh beendete sein Gespräch und trat vor die Gruppe der Sari, die ihn gespannt anblickte. Er kannte jeden von ihnen persönlich und wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte. Ohne Umschweife begann er zu sprechen. Er sprach nicht laut, aber klar und deutlich, und seine Stimme hätte auch noch eine weit größere Menge von Menschen erreicht. Khanh musste niemals laut werden, denn wenn er redete, schwiegen alle, um ihm zuzuhören.
    »Es ist alles bereit - wenn ihr es seid.« Er machte eine kleine Pause und ließ seinen Blick über die Gruppe schweifen. Für

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