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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Zhan Shi, die Liya aus der Spelunke abgeführt hatten, weckten sie kurz vor Sonnenaufgang und brachten sie zu dem offenen Trainingsplatz, der noch völlig verlassen im ersten Dämmerl icht lag. Es war kalt und Liya hätte gern noch eine Weile geschlafen, aber das hätte sie niemals zugegeben. Der gut aussehende Mistkerl und sein Freund sprachen kein Wort mit ihr, obwohl Liya die Blicke des Kleineren bemerkte, der drei lange Stöcke trug. Liya erwischte sich dabei, wie sie beim Gehen den Mistkerl betrachtete und sich vorstellte, wie es wäre, seine Wangen zu berühren, auf denen das erste Licht des Tages schimmerte.
    Kaum auf dem Trainingsplatz angekommen, entledigte sich der Ältere noch im Gehen seines wärmenden Umhangs, wandte sich zu Liya um und winkte sie mit beiden Händen heran.
    Liya rührte sich nicht. »Was jetzt?«
    »Greif mich an.«
    »Was ist das, ein Spiel, oder soll das etwa die Ausbildung sein?«
    »Greif mich an, dann wirst du's sehen.«
    Liya zögerte und betrachtete den jungen Krieger in seiner überheblichen Haltung. Es war noch früh, sie hatte noch keine einzige Mondträne gegessen, sie fror und hätte am liebsten noch eine Stunde geschlafen. Aber sie fand, dass es entschieden an der Zeit war, dem arroganten Mistkerl eine tüchtige Abreibung zu verpassen. Sie spreizte also leicht die Beine, verschaffte sich einen stabilen Stand, lockerte ihre Arme und nahm die erste Kampfposition ein. Der Mistkerl ging in die zweite Position. Dann griff Liya an.
    Einen Augenblick später lag sie im Sand. Scheinbar mühelos hatte der Mistkerl ihren Angriff abgewehrt und sie mit einem einzigen Wurf aufs Kreuz gelegt. Liya unterdrückte einen Fluch, rappelte sich auf und versuchte es noch mal.
    Mit dem gleichen Ergebnis.
    Der junge Krieger musste sich dazu noch nicht einmal vom Fleck bewegen. Er nutzte einfach Liyas Energie beim Angriff aus, um sie gegen sie selbst zu richten. Dabei lachte er weder hämisch noch zeigte er irgendeine andere Reaktion. Sein Ausdruck blieb gleichmütig und herablassend. Nach dem fünften Anlauf hielt Liya keuchend inne. Ihr Rücken schmerzte von den Stürzen und beim letzten Mal hatte sie sich den Arm verrenkt. Sie fand, dass der Tag ziemlich beschissen anfing.
    »Zu viel Wut«, sagte der Mistkerl.
    »Ich bin nicht wütend.«
    »Doch. Sogar sehr wütend. Je wütender du bist, desto leichter ist es, deinen Angriff abzuwehren. Wut macht steif.«
    »Spar dir deine Weisheiten!«, presste Liya hervor. »Ich bin nur noch nicht ganz aufgewärmt. Beim nächsten Mal rufst du nach deiner Mama!«
    Der Mistkerl zuckte gleichmütig mit den Achseln und schwieg. Der Kleinere aber, der sich mit den drei Stöcken in den Sand gehockt und die ganze Zeit nur zugeschaut hatte, feixte unverhohlen.
    Liya atmete einmal durch und versuchte es erneut. Und noch mal. Und noch mal. Sie schlich um ihn herum und suchte eine Schwäche in seiner Haltung, einen Moment der Unachtsamkeit oder der Erschöpfung, den sie nutzen konnte. Aber jedes Mal fing der Mistkerl ihren Angriff mühelos ab und Liya landete im Staub. Um sie offenbar vollends zu demütigen, zog er eine Binde aus seiner Hose und verband sich damit die Augen. Trotzdem schien er jederzeit zu wissen, aus welcher Richtung Liyas Angriffe kamen. Die Sonne hatte noch nicht ganz den Horizont überschritten, als Liya kraftlos im Sand liegen blieb, um Atem rang und das Gefühl hatte, nie mehr wieder aufstehen zu können. Ihr ganzer Körper war ein einziger Schmerz.
    Zu ihrer Überraschung ließ sich der Mistkerl neben ihr in den Sand fallen. »Das war nicht schlecht für den Anfang.«
    »Waaas?«
    »Du bist schnell und hast Kraft. Du bist nur zu wütend.«
    Liya schwieg. Sie spürte die Körperwärme des jungen Zhan Shi dicht neben sich und verkniff sich eine giftige Bemerkung, die ihn vermutlich vertrieben hätte. Der Zhan Shi fasste ihr Schweigen als Zustimmung auf.
    »Du musst alle Gefühle ausatmen vor dem Kampf. Dein Herz muss kalt sein und leer.«
    Kalt und leer - wenn du wüsstest!
    »Ich heiße Li«, sagte der Mistkerl plötzlich.
    Li! Liya und Li. Li und Liya. Liiiiii!
    »Ich weiß.« Liya räusperte sich. »Ich heiße Liya.«
    »Ich weiß.« In seinem Blick lag plötzlich Wärme und das machte ihn noch schöner. Liya hätte beinahe laut aufgeseufzt. Aber der Moment verflog und Li erhob sich. »Wir müssen weitermachen. Wir haben hier übrigens ein paar Grundregeln. Die solltest du beachten: Mach dein Herz vor dem Kampf frei von allen Gefühlen. Rede nicht

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