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Panik: Thriller (German Edition)

Panik: Thriller (German Edition)

Titel: Panik: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Gordon Smith
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nicht. Sollte er doch an seinem Zorn ersticken. Er war so berechenbar, glaubte, dass er alles machen konnte, was er wollte, nur weil er ein Junge war und Muskeln hatte. Rilke wusste genau, warum sie auserwählt worden war. Aber wieso Cal? Wieso die anderen? Das waren doch Witzfiguren.
    » Rilke«, bellte er. » Das ist mein Ernst. Du musst mich reinlassen.«
    » Nein, muss ich nicht.«
    Ihr Grinsen wurde breiter. Sie hatte das Sagen, weil sie auch das Essen hatte. Cal und die anderen konnten ja zum Einkaufen in den nächsten Supermarkt gehen.
    » Mach auf!«, schrie Cal. » Jetzt werd ich langsam richtig sauer. Willst du uns alle erschießen? Sag mir endlich, was du willst, sonst tret ich die Tür ein und dir dann in den Hintern, Mädchen hin oder her.«
    Rilke stieß ein Kichern aus, das noch kälter als der eisige Wind im Restaurant war.
    » Ich will mit Daisy reden«, sagte sie. » Mehr nicht.«
    Cal protestierte zuerst, doch nach einer Weile gab er auf. Sie hörte, wie er die Treppe hinunterging. Langsam verhallten seine Flüche in der drückenden Stille des Pavillons. Sie legte die Stirn gegen das gefrorene Holz der Tür und fragte sich, ob er ihre Forderung erfüllen würde.
    Wird er. Er muss, wenn er was zu essen haben will.
    Rilke ging zum nächsten Tisch und legte den Revolver neben eine flackernde Kerze. Sie hatte Mühe, die Finger vom kalten Metall zu lösen. Unglaublich, wie etwas so kleines so tödlich sein konnte. Man musste einfach nur den Finger krümmen, und schon war ein Leben zu Ende.
    Die beiden Menschen, die sie umgebracht hatte, hatten das Leben nicht verdient. Keiner von ihnen verdiente es. Deshalb war sie ja hier, dafür hatte man sie auserwählt. Bald schon würde sie Waffen haben, neben denen sich der Revolver hier wie eine Spielzeugpistole ausnahm. Hatte sie das letzte Nacht nicht ganz deutlich gespürt? Sie hatte die Gewissheit, dass dort draußen etwas Schreckliches und gleichzeitig Wunderbares wartete. Eine reine, zerstörerische Kraft.
    Schiller lag unter einer Eisschicht und strahlte immer noch Kälte ab wie eine verkehrte Sonne. Seit gestern Abend hatte er sich nicht mehr bewegt. Aber er würde ja nicht für immer so bleiben. Er starb nicht, er veränderte sich. Wie eine Raupe in ihrem Kokon.
    » In was nur, Schill?«, flüsterte sich. » Was wird aus dir werden?«
    Daisy kannte die Antwort darauf. Obwohl dem kleinen Mädchen gar nicht bewusst war, dass die Antworten in ihrem hübschen kleinen Kopf schlummerten. Sie brauchte nur ein bisschen Aufmunterung, dann würde sie sie schon ausspucken.
    Die einsame Flamme flackerte unruhig, als ob die Dunkelheit ihr eigenes Gewicht hätte und auf das Licht drückte. Rilke nahm eine Kerze von dem Stapel, den sie zusammengesucht hatte, zündete sie an der anderen an und stellte sie in eine Pfütze aus geschmolzenem Wachs. Auch sie musste gegen die Finsternis ankämpfen. Eine Metapher, dachte sie und lächelte. Wir sind die wenigen Flammen in der Finsternis, sinnierte sie, fasziniert von den tanzenden Farben. Wir sind das Licht im Dunkel.
    Was konnte diese Finsternis anderes sein als die Menschheit selbst? Eine erdrückende, zappelnde Masse an Menschen, die kein Recht auf Leben hatten. Wie viele lebten momentan auf der Erde? Sechs Milliarden? Sieben? Sie waren wie Insekten, krabbelten herum und erschlugen sich gegenseitig für ein paar armselige Brocken. Sie waren dumm, grausam, sie waren die Nacht, die den Tag verdunkelte. Sie hatten ihre Existenz nicht verdient.
    Deshalb geschah dies alles. Deshalb waren Schiller und sie angegriffen worden– deshalb waren sie alle angegriffen worden. Die Menschen spürten, dass sie etwas Besonderes, dass sie einzigartig waren. Sie hassten sie, weil sie besser als sie waren. Sie dachte an die Männer und Frauen bei dem Rave zurück, die sich in wilde, beißende, kratzende, heulende Bestien verwandelt hatten. Wie die Tiere– und mehr waren sie ja auch nicht. Sie hatten gespürt, dass Rilke und Schiller besser als sie waren, dass sie ihnen gefährlich werden konnten, dass sie…
    Sie hielt inne und suchte nach dem richtigen Wort dafür. Die beiden Flammen flackerten, gingen aber nicht aus. Sie würden niemals ausgehen, sich niemals der Dunkelheit beugen.
    Was war das gestern Abend gewesen? Eine Welle aus Nichts, die schreckliche Erkenntnis, dass sich hinter der dünnen Kulisse der Welt ein unendlicher Abgrund der Leere auftat. Vielleicht war diese Kreatur, diese Kraft– wie auch immer– hier, um ihnen den Weg

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