Panik: Thriller (German Edition)
gehen sie auch auf dich los, Cal. Sie jagen dich und treten dich und rammen dich ungespitzt in den Boden, so wie es ja auch alle anderen offenbar vorhaben. Er musste herausfinden, was hier los war, bevor sie nach Hause kamen. Er brauchte einen Plan.
Cal zitterte am ganzen Körper. Die letzten Stunden kamen ihm so unwirklich vor. Das konnte nicht sein. So etwas passierte doch nur im Film. Aber dort, wo sie ihn gepackt und geschlagen hatten, erblühten hässliche blaue Flecke auf seinen Armen, seiner Brust, seinem Genick und seinem Rücken. Er hatte eine Bisswunde an der Hand und konnte sich nicht erinnern, woher.
Fast hätte er es nicht nach Hause geschafft. Das Auto hatte die Leute magnetisch angezogen. Völlig fremde Menschen hatten sich dagegengeworfen, waren daran abgeprallt und zappelnd im Rückspiegel verschwunden. Er hatte gehofft, dass ihn irgendwann die Polizei aufhalten würde, um die ganze Sache aufzuklären. Aber er hatte keine Polizisten gesehen, keine Krankenwagen, nur eine Armee, die ihn aus dem Wagen zerren wollte.
Je weiter er sich von der Schule entfernt hatte, desto spärlicher waren die Angriffe geworden, und als er fünfzehn Minuten später in seine Straße eingebogen war, hatten sie ganz aufgehört. Er hatte das blutverkrustete Auto in der Doppelgarage geparkt, damit es niemand von der Straße aus sehen konnte, und war ins Haus gewankt. Nicht mal mehr aufs Sofa hatte er es geschafft– er war einfach vor dem Fernseher in die Knie gegangen, und da saß er jetzt immer noch.
Inzwischen hatte er alle wichtigen Meldungen auf dem Nachrichtenkanal gesehen. Nichts über eine wild gewordene Menge, die einen Siebzehnjährigen durch East London gejagt hatte. Er ließ den Fernseher laufen, rappelte sich auf und zwang seine gefühllosen Beine durch das Wohnzimmer zum Computerschreibtisch vor der Balkontür. Er ließ sich in den Stuhl fallen, schaltete den Rechner ein und schloss die Augen, während dieser hochfuhr.
Bilder blitzten vor der dunklen Leinwand seiner Augenlider auf: aufgerissene Münder, stumpfe, aufeinanderschlagende Zähne, Fingernägel, unter denen sein Blut klebte, Hunderte Augenpaare, die ihn voller Hass anstarrten, vor Wut aus ihren Höhlen zu quellen schienen.
Sie hatten ihn töten wollen– einfach so, ohne Grund. Aber warum? Was hatte er ihnen denn getan?
Er öffnete den Internet Explorer und rief die Yahoo-Homepage auf. Dann wusste er nicht so recht, was er tun sollte, und ging die Links durch. Er klickte gerade auf die News-Seite, als seine Hosentasche vibrierte. Cal schrak so heftig zusammen, dass seine Knie gegen die Tischplatte stießen. Dann zog er das Handy aus der Tasche. Es war Megan. Eine gefühlte Ewigkeit starrte er auf ihren Namen in Pixelschrift. Darunter war ein Foto von ihr, das sie mit zwei Bleistiften im Mund zeigte und einen Vampir darstellen sollte. Er ging ran.
Stille. Sein Mund war viel zu trocken, um Worte bilden zu können.
» Cal?«, sagte sie schließlich, und er war erleichtert, weil ihre Stimme so weit entfernt klang. » Hast du es schon gehört?«
Dass ihr alle versucht, mich umzubringen? Er brachte nur ein Grunzen heraus.
» Georgia ist im Krankenhaus. Sie wurde niedergetrampelt. Wo bist du denn hin, Cal? Wir hätten dich hier gebraucht.«
Cal ließ das Handy sinken, rieb sich die Augen und starrte auf Megans Bild, als könnte er das Ganze nicht glauben. Als Megan seinen Namen rief, hielt er sich das Telefon wieder ans Ohr.
» Alles klar?«, fragte sie. » Wir wissen alle nicht so recht, was heute passiert ist. Irgendwas war mit der Tribüne. Die auf den hinteren Reihen dachten wohl, sie würde zusammenkrachen oder so. Das hätte eine Katastrophe geben können.«
» Megan«, krächzte er endlich. » Wovon redest du überhaupt?«
» Heute, beim Spiel«, sagte sie. » Du musst das doch mitbekommen haben. Bist du nicht deswegen weggelaufen? Ganz toll gemacht übrigens. Mein Held.«
Wusste sie nicht mehr, dass sie ihm nachgejagt war? Hatte sie nicht gesehen, was vor der Schule und dann auf der Straße passiert war? Möglicherweise hatte sie in ihrer Verwirrung die Situation falsch eingeschätzt– aber sie war doch dort gewesen, du hast sie in der Meute gesehen, sie hat durch den Zaun nach dir gegriffen, ihr Gesicht war wutverzerrt. Vielleicht hatte sie in der Hitze des Gefechts die Orientierung verloren, eine Art Gruppenhysterie oder so. Davon hatte er gehört, da wurden massenhaft Leute gleichzeitig ohnmächtig oder wahnsinnig. Sie redete
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