Panik: Thriller (German Edition)
klang wie ein Pistolenschuss. Wie jede Tür im Haus besaß auch die Abstellkammer ein kleines Schloss. Daisy legte es in dem Augenblick vor, in dem der Mann die Klinke herunterdrückte. Der Mann warf sich gegen die Tür, ein gezackter Riss erschien im Holz. Daisy taumelte zurück. In der kleinen Abstellkammer stand ein einfaches Bett, auf dem alte Kleidung gestapelt war. Daisy hatte den Raum mit drei Schritten durchquert und stand vor dem Fenster.
Erneut warf der Mann sich gegen die Tür. Putz rieselte von der Decke. Sie hörte weitere Schritte den Flur hinunterstürmen. Die Sanitäter hämmerten und traten gegen die Tür. Was wollten sie denn? Warum waren sie so wütend auf sie? Ob sie glaubten, dass sie ihre Eltern umgebracht hatte?
» Ich war’s nicht!«, rief sie, doch ihre Stimme ging im Lärm unter. » Ich war’s nicht!«
Die Tür wurde so heftig aufgerissen, dass ein Stück Putz aus der Wand fiel. Der Mann schien den ganzen Raum auszufüllen, ein Riese mit einem Pferdemaul, das so groß war, dass er sie mit Haut und Haaren verschlingen konnte. Daisys Beine gaben unter ihr nach, doch noch bevor sie den Boden erreichte, prallten die riesigen Hände des Mannes gegen ihre Brust und stießen sie aus dem Fenster.
Glas splitterte, das Universum zerbrach in tausend funkelnde Scherben. Daisy fiel und landete auf dem Dach der Küche. Der Schmerz brannte wie Feuer in ihrem Körper. Sie rutschte über das Dach, purzelte von der Regenrinne, war wieder in der Luft und wurde schließlich von einem Rhododendron aufgefangen.
Daisy konnte die Schreie der Männer trotz der fürchterlichen Schmerzen und des Rauschens in ihren Ohren hören. Sie setzte sich auf. Einen Augenblick lang sah sie nur schillerndes silbernes Licht, dann erschien der Garten vor ihren Augen. Sie kletterte aus dem Blumenbeet, traute sich aber nicht aufzustehen. Seitwärts wie eine Krabbe kroch sie über den Rasen. Erst hinter dem großen Lorbeerbaum wagte sie einen vorsichtigen Blick.
Das Fenster der Abstellkammer war leer.
Der Schuppen stand am anderen Ende des Gartens. Er war nicht abgeschlossen, weil er sowieso mehr oder weniger baufällig war. Das Dach war so gut wie zusammengefallen. Sie riss die Tür auf und stolperte durch den Raum. Der Rasenmäher roch nach feuchtem Holz und matschigem Gras, was viel besser war als der Gestank im Haus. Sie holte tief Luft, dann hörte sie das verräterische Quietschen der Hintertür.
Bitte findet mich nicht, bitte findet mich nicht, dachte sie. Ihr Herz klopfte so laut, dass die ganze Straße es hören musste. Schritte ertönten von der gegenüberliegenden Ecke des Gartens. Daisy zog die Knie an die Brust und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, so klein wie die Kellerasseln, die über ihre Schuhe krochen. Bitte, lieber Gott, verrate ihnen nicht, wo ich bin. Ich flehe dich an.
Die Geräusche verstummten. Trotzdem wagte Daisy nicht, sich zu bewegen, obwohl ihre Haut dort, wo eine funkelnde Glasscherbe in ihrem Arm steckte, brannte wie Feuer. Ihre Schultern und ihr Knöchel pochten vor Schmerz. Sie kauerte sich in der Stille zusammen, kniff die Augen zu und betete, betete, betete.
Stimmen. Daisy konnte nicht genau verstehen, was sie sagten, aber sie erkannte eine davon. Es war Mrs. Baird, die alte schottische Dame von nebenan, von der sie immer eine kleine Schachtel Pralinen zu Weihnachten und einen Fünf-Pfund-Schein zum Geburtstag bekam. Die andere gehörte einem Mann, es war nur ein tiefes Grummeln. Ungläubig bekam Daisy mit, wie sie lachten.
Jetzt hielt sie es nicht mehr länger aus. Sie musste wissen, was hier vor sich ging. Sie stand auf, schlich an der Wand des Schuppens entlang, wobei sie sorgfältig darauf achtete, nicht auf ein Holzscheit zu treten. Dann holte sie tief Luft und spähte durch das schmutzige Fenster.
Beide waren im Garten. Bei dem zweiten Sanitäter handelte es sich um eine Frau. Sie standen in einem Scherbenhaufen neben dem Gartenzaun, an dem Mrs. Baird von der anderen Seite lehnte. Sie deutete auf das Fenster der Abstellkammer. Der Mann zuckte mit den Schultern und sah sich im Garten um. Daisy ging kurz in Deckung, linste jedoch gleich wieder aus dem Fenster.
Die Sanitäterin ging durch die Hintertür ins Haus. Der Mann gab Mrs. Baird die Hand– die Hand, die mich aus dem Fenster gestoßen hat! Die Hand, die mich töten wollte!, hätte sie am liebsten geschrien. Sie lachten noch mal, dann folgte der Mann der Frau ins Haus.
Daisy beobachtete, wie sich die Tür
Weitere Kostenlose Bücher