Panik: Thriller (German Edition)
Menschen. Sie sah ihn an. Ihre Augen waren vor Schock so geweitet wie bei einer Comicfigur.
» Du kannst mir vertrauen. Versprochen.« Der Jugendliche an der Spitze der Menge– einer der Skateboarder, wie Cal auffiel– hatte sie beinahe erreicht. » Wir müssen von hier weg.«
Er hielt ihr die Hand hin. Sie packte sie und ließ sich auf den Fahrersitz helfen. Er stieg neben ihr ein und schlug in dem Moment die Tür zu, in dem der Skateboarder sie erreicht hatte. Durch den Schwung geriet der Junge ins Stolpern und fiel mit einem kurzen Aufschrei außer Sichtweite. Das Mädchen rutschte auf den Beifahrersitz durch. Cal gab Gas und raste die Straße hinunter. Wieder beobachtete er ein chaotisches Blutbad im Rückspiegel.
Bis auf das Navi sprach niemand ein Wort. Cal folgte erleichtert den Anweisungen, bis er Boxwood St. Mary verlassen und wieder auf dem Weg Richtung A11 war. Er traute sich nicht, den Fuß vom Gas zu nehmen und atmete tief durch, als sie die Auffahrt erreichten. Erst als er mit über hundert Sachen auf der rechten Spur dahinjagte, bemerkte er, dass sein ganzer Körper so starr wie ein Stein war. Er entspannte sich, woraufhin das Zittern einsetzte.
» Auf dieser Straße bleiben«, sagte das Navi.
Cal warf einen Blick auf das Mädchen. Sie hatte sich in ihrem Sitz zusammengekauert und wirkte winzig. Ihr Gesicht war so kreidebleich, als ob alles Blut durch die Schnittwunden an ihren Armen und ihrem Genick aus ihrem Körper geflossen wäre. Im Fahrtwind, der durch die zerbrochenen Fenster ins Auto drang, wiegte sich ihr langes Haar wie Seegras. Sie starrte mit feuchten blauen Augen durch die Windschutzscheibe. Cal wusste, dass sie gar nichts sah, außer einer Wiederholung der Ereignisse, die sie soeben miterlebt hatte.
» Das ist übrigens Miss Nervensäge«, sagte er und deutete auf das Navi. Trotz des heulenden Fahrtwinds und des Donnerns der Reifen sprach er viel zu laut. Das war eine ziemlich dämliche Bemerkung, aber Cal wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Er sah auf die Straße, dann wieder zu dem Mädchen hinüber. » Sie wohnt im Auto und sagt mir, was ich machen soll.«
Das Mädchen reagierte nicht. Immerhin griff sie ihn nicht an, das war doch schon mal was. Ein Auto schoss hinter ihm heran. Cal blinkte und fuhr auf die linke Spur. Der BMW sauste an ihnen vorbei, schlingerte leicht, hielt aber nicht an. Cal sah in den Rückspiegel und wechselte auf die Überholspur, um an einem Lkw vorbeizuziehen. Wenn er die Leute schnell genug überholte, wurden sie wieder normal, bevor sie etwas Schlimmes anstellen konnten.
» Wenn ich falsch fahre, schimpft sie mich«, fuhr er fort. » Na ja, eigentlich schimpft sie meine Mum, deswegen sagt sie auch Miss Nervensäge zu ihr. Ich hab mir das nicht ausgedacht.«
Ganz toll, dachte Cal. Du kannst echt gut mit Kindern umgehen.
» Wie heißt du?«, fragte er. Sie antwortete nicht, schien ihn nicht einmal wahrzunehmen. Wahrscheinlich sollte er sie einfach in Ruhe lassen. Sie stand bestimmt unter Schock oder so, und er wusste nicht genau, wie man mit solchen Leuten umging. Sie durften nicht einschlafen, oder? Nein, das war bei etwas anderem.
Bei Gehirnerschütterung, du Idiot, sagte sein Verstand, und er lachte grunzend. Das Geräusch ließ das Mädchen zusammenzucken. Sie erwachte aus ihrem tranceähnlichen Zustand und sah ihn ängstlich an. Er bemerkte, wie ihre Finger zum Türgriff wanderten. Bloß nicht, sonst fährt dich der Nächste über den Haufen. Cal hob die linke Hand zum Zeichen, dass er ihr nichts tun würde.
» Alles in Ordnung, hab keine Angst.« Die Straße vor ihm war einigermaßen frei, sodass er wieder auf die linke Spur wechseln konnte. Er fuhr etwas langsamer, und der Lärm im Auto klang nicht mehr wie ein ausgewachsener Orkan, sondern nur noch wie ein Sommergewitter.
» Ich heiße Cal. Du kannst mir vertrauen, das schwöre ich.«
Sie kauerte sich wieder wie ein Igel in ihrem Sitz zusammen.
» Wo fahren wir hin?«, fragte sie. Zumindest dachte er, dass sie das gefragt hatte. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern im Wind.
» Irgendwohin, wo es sicher ist«, sagte er. » Glaube ich zumindest. Das weiß ich auch nicht so genau. Aber ich pass auf dich auf, okay?«
Anscheinend hatte er sie überzeugt. Sie entspannte sich und legte das Kinn auf die Knie. Ihre großen Augen schienen niemals zu blinzeln.
» Miss Nervensäge will, dass du deinen Sicherheitsgurt anlegst«, sagte Cal, als ihm auffiel, dass er seinen
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