Panik: Thriller (German Edition)
sie nicht mit Strandhafer bewachsen gewesen. Vor ihm lag das spiegelglatte Meer. Es war so unbewegt, dass es fast so aussah, als könnte man darauf bis nach Holland oder Dänemark laufen, oder was sich eben hinter dem Horizont befand.
Auf der anderen Seite der Düne schloss sich ein kleines Kiefernwäldchen an. Die Sonne sank langsam in das Bett aus weichen Nadeln. Ein Trampelpfad führte von dort zu einem kleinen asphaltierten Parkplatz, aus dem der hässliche Toilettenblock wie ein Geschwür hervorragte. Die Türen und Fenster waren verbarrikadiert. Die Graffiti auf den Brettern waren längst bis zur Unleserlichkeit verwittert. Das leise Platschen der Wellen und das Rauschen der Bäume stimmten ihn seltsamerweise sehr friedlich.
Vielleicht hatte sich der Typ ja anders entschieden. Bricks Nachrichten waren nicht gerade überfreundlich gewesen. Er versuchte vergeblich, sich zu erinnern, was er geschrieben hatte. Nur dass er allein kommen sollte, das wusste er noch. Auch das war schon ziemlich dämlich gewesen– wenn es CalMessiRonaldo wie ihm ging, hatte er momentan bestimmt nicht allzu viele Freunde. Warum hatte er sich nur wie ein Arschloch aufgeführt?
Der Stress, dachte er und ließ einen langen Haferhalm durch die Finger gleiten. Der Schock, die Angst. Aber der tatsächliche Grund war natürlich, dass er eben ein Arschloch war. Er schwor sich, freundlich und nett zu sein, sobald der Kerl auftauchte.
Wenn er denn auftauchte.
Brick hatte keine Uhr, und das Handy hatte er an der Tankstelle verloren. Norfolk war so platt wie ein Pfannkuchen, deshalb blieb es auch so lange hell, doch die Sonne würde Punkt zehn Uhr untergehen. Dann war es richtig dunkel. Wenn er nicht bis dahin zurück in Fursville war, musste er die Nacht am Strand verbringen.
Eine Ameise krabbelte direkt an seinem Kopf vorbei. Ihre Beine bewegten sich so schnell über den rieselnden Sand, dass sie vor seinen Augen verschwammen. Er hielt dem Insekt einen Halm hin, wartete, bis es darauf geklettert war, und legte den Halm vorsichtig ab. Die Ameise kroch daran entlang und verschwand in den Rispen.
» Gern geschehen«, sagte er, setzte sich auf, streckte sich und wartete, bis das Blut wieder durch seine Beine floss. Seine Jeans war an den Knien durchnässt. Wieso war Sand eigentlich immer feucht, selbst im Hochsommer? Er wischte mit den Händen über die Flecken, als er das Brummen eines Motors hörte. Zweifellos ein Auto, wenn auch in weiter Entfernung.
Er duckte sich und spähte durch den Strandhafer. Je lauter der Motor wurde, umso schneller klopfte sein Herz. Nach einer Ewigkeit tauchte einer von diesen kleinen Baby-Landrovern aus dem Wäldchen auf. Die Motorhaube war mit etwas Rotem bedeckt, das wie frische Farbe leuchtete– Blut? Die Beifahrerfenster waren heruntergekurbelt oder eingeschlagen. Ein riesiger Riss zog sich quer über die Windschutzscheibe, sodass er nicht ins Innere sehen konnte. Das Auto holperte über den Parkplatz und hielt vor den Toiletten.
Nichts geschah. Niemand stieg aus.
» Mach schon«, murmelte Brick und knirschte mit den Zähnen. Er hatte einen Druck auf den Ohren, als wäre er zu tief getaucht. Die unheimliche Stille verstärkte seine Angst noch. Ihm wurde übel. Die Front des Wagens war direkt auf ihn gerichtet. Er hatte das seltsame Gefühl, dass ihn der Fahrer beobachtete, wartete, bis er sich bewegte. Das war natürlich völlig unmöglich. Niemand konnte ihn hinter der Düne sehen. Es sei denn …
Brick drehte sich um, ließ den Blick über den Strand schweifen. Was, wenn der Typ doch nicht allein gekommen war? Vielleicht waren seine Freunde ausgeschwärmt, um ihn einzukreisen. Er fluchte. Wieso war er unbewaffnet gekommen? In Fursville lagen massenweise Eisenstangen und alte Werkzeuge herum, im Restaurant gab es sogar Messer. Und jetzt konnte er sich nur mit seinen Fäusten verteidigen.
Noch war es nicht zu spät, um den Rückzug anzutreten. Wenn er die Düne hinunterkletterte, konnte er an der Küste entlang zurücklaufen. Sie würden ihn nie finden– es sei denn, sie folgten seinen Fußspuren im Sand. Er fluchte wieder und dachte fieberhaft nach. Er hatte stundenlang Zeit gehabt, um sich auf diesen Moment vorzubereiten, und was hatte er gemacht? Sich gesonnt und Ameisen gerettet.
Bleib ruhig. Du machst hier Panik wie ein altes Waschweib. Immer cool bleiben, das wird schon gut gehen.
Sollte er den ersten Schritt machen? Das war wie in einem dieser alten Agentenfilme. Er wischte sich mit der Hand
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