Panik: Thriller (German Edition)
große Augen. Bevor Cal etwas sagen konnte, hatte er sich umgedreht und war losgelaufen.
» Warte!«, rief Cal. Der Typ lief mit beindruckender Geschwindigkeit davon, mit rudernden Armen und Beinen arbeitete er sich die Düne hinauf. » Warte! Die war doch nur für den Fall. Ich will dir nichts tun!«
Brick hörte gar nicht zu. Er katapultierte sich förmlich in einer Wolke aus Sand über die Düne. Cal fluchte, bückte sich und hob die Waffe auf.
» Warte hier!«, befahl er Daisy und sprintete über den Parkplatz. Seine Füße sanken in den Sand, während er die Düne hinaufrannte. Als er den Gipfel erreicht hatte, sah er, wie Brick den Strand entlanglief.
» Brick! Warte!«, brüllte er. Der ältere Junge blieb nicht stehen, wurde noch nicht mal langsamer. Cal machte sich an den Abstieg, doch nach vier oder fünf Schritten wurde ihm klar, dass er ihn nie einholen würde. Er hob die Waffe, zielte in den Himmel und drückte ab.
Der Rückstoß fuhr durch seinen Arm bis in die Schulter, und er bekam einen schmerzhaften Krampf im Zwerchfell– es tat so weh, dass er beinahe den Revolver fallen gelassen hätte. Ein hohes Pfeifen schrillte in seinen Ohren. Aber es hatte geklappt. Brick stolperte und fiel aufs Gesicht. Er wirbelte herum und kroch wie eine Krabbe zurück. Cal konnte deutlich das Weiße in seinen Augen erkennen.
Cal hielt die Waffe weiterhin auf den Himmel gerichtet. Ob die Kugel wieder herunterfallen und sich in seinen Kopf bohren würde? Er holte tief Luft. Das Schießpulver brannte wie der Qualm eines Feuerwerks in seiner Lunge.
» Ich will dir nichts tun!«, rief er. » Ich hab sie nur mitgenommen für den Fall, dass du verrückt bist. Da.« Er warf Brick den Revolver entgegen. Er landete zwischen ihnen im Sand. Dann hob er die Hände und schenkte dem Teil seines Gehirns, das Du blöder Idiot, was hast du getan? Jetzt wird er dich umbringen kreischte, keine Beachtung. » Nimm sie. Sie gehört dir. Aber lass uns nicht allein, okay?«
Langsam stand Brick auf. Er duckte sich, als ob er einen weiteren Schuss von anderswoher erwartete. Dann ging er in seinen eigenen Fußstapfen zurück, hob die Waffe auf und hielt sie von sich weg. Wie ein Kind, das eine Schere herumträgt.
Daisy erschien keuchend neben Cal und packte seine Rechte mit ihren beiden Händen. Sie sahen Brick an, der noch immer wie eine Statue vor ihnen stand und den Revolver auf Armeslänge von sich weghielt. Sein Schatten sah aus wie ein langes » t« auf dem Strand.
» Lass uns nicht allein«, sagte Daisy. » Bitte. Wir wollten dir nichts tun.«
Nach einer Ewigkeit nickte Brick endlich.
» Wir sollten abhauen. Den Schuss hat man sicher meilenweit gehört.« Er drehte sich um und ging langsam am Ufer entlang. » Lasst das Auto stehen, damit niemand die Reifenspuren verfolgen kann. Holt eure Sachen und folgt mir.«
Daisy
Hemmingway, 21 : 13 Uhr
Daisy lief in der Mitte zwischen den beiden Jungs. Alle paar Sekunden musste sie ein paar schnelle Zwischenschritte einlegen, damit sie mit ihren großen Schritten mithalten konnte. Sie war erschöpft, das Laufen auf dem Sand war anstrengend, und sie musste zwei Umhängetaschen schleppen. Trotzdem fühlte sie sich sicher. Was komisch war, schließlich hatte sie eine der wichtigsten Regeln gebrochen, die ihre Eltern ihr wieder und wieder eingeschärft hatten. Du darfst nie, nie mit Fremden reden. Und du darfst nicht, unter keinen Umständen, NIEMALS zu einem fremden Jungen ins Auto steigen, besonders nicht, wenn er kreuz und quer durchs Land fahren will, um einen anderen Jungen zu treffen und dann zu einem geheimen Ort gehen will, den sonst niemand kennt.
Das hätte sie eigentlich beunruhigen sollen, aber das komische Gefühl in ihrer Brust und ihrem Bauch, das sie sonst immer spürte, wenn sie Angst hatte– als würde irgendwas in ihr herumkrabbeln–, war nicht da. Vielleicht stand sie noch unter Schock. Schließlich hatte sich ihr Leben, ihre ganze Welt in den letzten paar Stunden komplett auf den Kopf gestellt.
Und da war noch etwas anderes.
» Wo kommst du her?«, fragte Cal.
Er ging ein paar Schritte vor ihr, hatte eine große schwarze Sporttasche geschultert und trug die dritte Umhängetasche in der Hand. Der andere Junge war noch weiter vor ihm und trug gar nichts bis auf den Revolver. Sie gingen fast im Gänsemarsch. Das weite Meer war immer noch zu ihrer Rechten und glitzerte wie ein riesiges Stück Alufolie. Zu ihrer Linken ragten die Dünen auf. Die Sonne war inzwischen
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