Panter, Tiger und andere
gewähren werden. Sie waren sein – aber »er war nicht unser«. Wir grüßen das Andenken Maximilian Hardens.
1927
Dem Andenken Siegfried Jacobsohns
Gestorben am 3. Dezember 1926
Die Welt sieht anders aus. Noch glaub ichs nicht.
Es kann nicht sein.
Und eine leise, tiefe Stimme spricht:
»Wir sind allein.«
Tag ohne Kampf – das war kein guter Tag.
Du hasts gewagt.
Was jeder fühlt, was keiner sagen mag:
du hasts gesagt.
Ein jeder von uns war dein lieber Gast,
der Freude macht.
Wir trugen alles zu dir hin. Du hast
so gern gelacht.
Und nie pathetisch. Davon stand nichts drin
in all der Zeit.
Du warst Berliner, und du hattest wenig Sinn
für Feierlichkeit.
Wir gehen, weil wir müssen, deine Bahn.
Du ruhst im Schlaf.
Nun hast du mir den ersten Schmerz getan.
Der aber traf.
Du hast ermutigt. Still gepflegt. Gelacht.
Wenn ich was kann:
Es ist ja alles nur für dich gemacht
So nimm es an.
1926
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S. J.
Wärst du noch da!
Soviel wartet auf dich.
Alles wartet vergebens.
Du tätest dein Werk so säuberlich
wie im Laufe deines Lebens.
Ich seh dich am Tisch. Und die trübe Zeit
wäre hell – denn du bist heiter.
Du pfiffst auf die härteste Schwierigkeit:
du lachst und arbeitest weiter.
Du kanntest das Blatt und seinen Ort
im Strudel der tausend Parteien.
Leise schobst du die Bonzen
fort und ließest die Schreier schreien.
Du warst dem, der schreiten und folgen kann,
der treuste Begleiter.
Pfiff der Wind recht laut: wir sahn dich nur an –
du lachst und arbeitest weiter.
Aber nun bist du untergetaucht.
Wir sehn noch nach deinen Zielen.
Jeder hat mal einen Vater gebraucht…
du warst der Vater von vielen.
Ich hör deine Stimme: »Wer schwach ist, flennt.
Arbeiten ist gescheiter.«
Und wenn der ganze Schnee verbrennt:
wir lachen und arbeiten weiter.
1930
Auf dem Nachttisch
Ein Leser hat’s gut:
er kann sich seine Schriftsteller aussuchen
Wo bist du – ?
Ich möchte mal fragen, ob vielleicht jemand weiß, wo es geblieben ist.
Als ich noch ein ganz kleiner Junge war, Tanzstunden nahm und glaubte, dass Richter Leute seien, die Recht sprächen, da besuchte ich zusammen mit einem dicken Freunde den Max Brod in Prag. Brod war freundlich und nett, zeigte uns seine schöne Stadt, machte uns mit Oskar Baum bekannt, dem blinden, feinen Dichter – es waren leuchtende Tage. Eines Tages fielen wir in ein Café am Bahnhof – und der Oberkellner, der aussah wie der Sohn eines Fiakerkutschers, einer Bardame und Kaiser Franz Josefs, kam auf uns zu und fragte, ob wir neben dem Kaffee auch etwas zu lesen haben wollten. Ja, das wollten wir. »Etwas zu lesen oder Lektüre?« fragte er. Ich sah ihn an mit einem ratlosen Ausdruck in meinen Kinderaugen. »Zu lesen … Lektüre …«, sagte ich.
»Lektüre, bitte sehr, bitte gleich!« sagte er. Und eilte herbei, einen Packen Bücher und Hefte auf dem Handteller wie ein Tablett mit vielen Tassen Kaffee balancierend. Und gab uns das.
Heilige Gertrud Bäumer! Es waren die gesammelten Schweinereien des Jahrhunderts: Bücher mit Dialogen, die nur in begeisterten Ausrufen bestanden, sorgsame Schilderungen gesellschaftlicher Vorgänge, wie: »Die Baronin riß sich das Hemd vom Leibe, ergriff eine Peitsche und – –« Auch hatte der vorsorgliche Mann uns mit Bilderbüchern versehen: Photographiealben mit allgemein verständlichen Aufnahmen, auf denen der brave Gesichtsausdruck der Handelnden in sonderbarem Gegensatz zu ihrem Tun stand, auch Zeichnungen und Gemälde aller Art. Ich sah um mich: da saßen neben mir viele Freudensgefährten, die stierten mit hochroten Köpfen in ebensolche Alben, und wenn sich eine Dame durch die Tische schlängelte, dann klappten sie ihr Heft nonchalant zu. Wir fanden das sehr interessant und sahen es uns alles an.
Unter den Büchern war eins, das machte mächtigen Eindruck auf mich. Es hieß: »Liebe« und bestand aus vierzig Lithographien eines russischen Malers, des Grafen Zichy. Sie waren nicht unwitzig. In Erinnerung blieb mir manche Szene: emsiges Treiben nachts im Knabenpensionat, viele leicht und zierlich hingehuschte Bettbilder von lockender Wärme der Frauenkörper, in den Bildecken saß gewöhnlich eine kleine freche Unterschrift, so: »J’avais une tante qui m’aimait beaucoup« und »Bons Souvenirs!« und ähnliches. Die letzte Seite bestand nur aus Skizzen von Händen, die sich mit allerhand beschäftigten, eine teilte einen Nasenstüber aus. Es war recht heiter.
Kaum staken wir
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