Panter, Tiger und andere
wieder in Berlin, da ging ich zum sel. Meyer in der Potsdamer Straße, demselben, der seine Kunden als Begrüßung gern auf den Bauch zu klopfen pflegte, und befragte ihn nach diesem Werk. Er grinste und zog es aus einem Stapel seiner Bücher, unter denen nur er sich herausfand. Da hatte ich es, und es war nicht einmal teuer gewesen: fünfundsiebenzig; handeln hatte Meyer nicht gern, wenn er es nicht selber tat. Ich ließ es binden: in einem Anfall von Größenwahn in Ganzpergament, das ganze große Ding in Pergament, mit hellgelbem Seidenvorsatz. Es war ein rechtes Prachtalbum geworden.
Vierzehn Jahre ist das Buch bei mir geblieben. Es bekam langsam Daumenabdrücke von allerlei Damen: auch von Frau Knautschke, meiner damaligen, nunmehr in Gott eingegangenen Wirtin, die es sich während meiner Abwesenheit genau ansah. »Man will doch auch mal was haben!« sagte sie, als wir darüber sprachen. Dann packte ich es fort, man wird dicker und älter, in den Krieg habe ich es nicht mitgenommen, wir Soldaten lesen seit unserer Kadettenzeit nur noch militärische Bücher, und dann sah ich es immer weniger und weniger an.
Und als sie dann meine Siebensachen packten, weil Poincaré mich rief, da legte ich es obenauf, unvorsichtigerweise uneingewickelt. Die Kisten reisten über Kehl, rollten über den Rhein, den deutschen Strom, nicht Deutschlands Grenze, und als der ganze Schwung in Paris ankam, da fehlte etliches. Das schöne Buch von Prinzhorn »Bildnerei der Geisteskranken« und dies und jenes, und auch der Zichy. Was nun –?
Ah, Ersatz in Paris, nein, das war es nicht. Es ist doch ein kleines Stückchen Leben gewesen, das sich losgelöst hatte – und nur, weil ein Möbelpacker seinen Mund von einem Ohr bis zum andern aufgerissen hatte, als er es sah, sollte ich es entbehren …? Das war bitter. Auch war immerhin möglich, dass ein Zollbeamter … ich wage es nicht zu Ende zu denken. Kurz: der Zichy war weg. Und da wollte ich mal fragen, ob es vielleicht jemand gesehen hat. Es wäre ja denkbar, dass es sich einer gekauft hat, zu Studienzwecken, der Wissenschaft halber, nur um sich so etwas mal anzusehn, und was man so sagt. Der Pergamentdeckel ist leicht fleckig, das Buch gut erhalten, nur unten, an den rechten Ecken, sind manchmal die Seiten ein wenig eingerissen, wie wenn es da jemand beim Umblättern furchtbar eilig gehabt hätte.
Und wenn es einer hat, dann soll er mirs doch bitte sagen. Ich kaufe ihm ein neues, aber das da möchte ich gern wiederhaben. Es hat so viel aufgesaugt; an Gegenständen bleibt ja bekanntlich, wie auch an Wänden, das Leben haften, man lebt sie voll … Es ist eine Art Erinnerung, eine Erinnerung an die schönen Zeiten, als wir noch jung waren und erheblich neugieriger als heute. Eine Erinnerung an die Zeit, wo noch nicht ein Auge immer zuguckte, wenn das andere leuchtete – darin lebt ein Jahrzehnt. So wie in einer alten Grammophonplatte, die ein nun Verstorbener besungen hat, wie etwa der erschossene Chansonnier Fragson, in den Atempausen die damalige Zeit rauscht: 1910, vorbei, vorüber – aber doch einmal gewesen.
Wo bist du? In guter Pflege? Sind sie nett zu dir? Wo bist du – ?
1926
Geheimnisse des Harems
»Ich sah im Draum e gleenes Dromedar;
das liebe Dhier war gaum e halbes Jahr.
Am Halfter fiehrts e blondes Därkenkind –
in seinen Locken seiselte der Wind …
Ach, war das scheen –!«
Sächsisch-türkisches Volkslied
Am hübschesten sind eigentlich Bücher, die gar keine sind. Die richtigen Bücher: diese Lyriksammlungen, diese Entwicklungsromane (»Adolar blickte versonnen auf die letzten vierundachtzig Jahre seines Lebens«), diese expressionistisch geballten Bücher, in denen es scheinbar zackig, in Wirklichkeit aber aalglatt zugeht –: wer will denn das alles noch lesen! Ich weiß etwas viel Schöneres.
»Durch türkische und ägyptische Harems. Erlebnisse eines deutschen Landsturmmannes, von August Mies, Landsturmmann und Kriegsteilnehmer, abkommandiert nach der Türkei zur Organisation der Viehherden des ehemaligen Kriegsministers Enver Bey.« Wir wollen uns zunächst einmal einigen: ich habe weder den Titel noch das Buch erfunden: das Werk ist im Verlag des Allgemeinen Stallschweizerbundes, Sitz Plauen i. V., wirklich erschienen.
Jetzt gehts los.
»Der Kapitän eines russischen Kriegsschiffes nimmt seine Tochter Tatjana auf eine Fahrt über das Schwarze Meer mit. Das russische Schiff wird von den Türken gekapert. Der Kapitän kommt in ein
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