Panter, Tiger und andere
zurückfährt, dann liest er ein Buch. Das hat er in der Mappe. (Enten werden mit Schwimmhäuten geboren – manche Völkerschaften mit Mappe.) Liest der Mensch in der Untergrundbahn? Ja. Was? Bücher. Kann er dort dicke und schwere Bücher lesen? Manche können es. Wie schwere Bücher? So schwer, wie sie sie tragen können. Es geht mitunter sehr philosophisch in den Bahnen zu. Im Autobus nicht so – der ist mehr für die leichtere Lektüre eingerichtet. Manche Menschen lesen auch auf der Straße… wie die Tiere.
Die Bücher, die der Mensch nicht im Fahren liest, liest er im Bett. (Folgt eine längere Exkursion über Liebe und Bücher, Bücher und Frauen – im Bett, außerhalb des Bettes… gestrichen.) Also im Bett. Sehr ungesund. Doch – sehr ungesund, weil der schiefe Winkel, in dem die Augen auf das Buch fallen … fragen Sie Ihren Augenarzt. Fragen Sie ihn lieber nicht; er wird Ihnen die abendliche Lektüre verbieten, und Sie werden nicht davon lassen – sehr ungesund. Im Bett soll man nur leichte und unterhaltende Lektüre zu sich nehmen sowie spannende und beruhigende, ferner ganz schwere, wissenschaftliche und frivole sowie mittelschwere und jede sonstige, andere Arten aber nicht.
Dann lesen die Leute ihre Bücher nach dem Sonntagessen – man kann in etwa zwei bis zweieinhalb Stunden bequem vierhundert Seiten verschlafen.
Manche Menschen lesen Bücher in einem Boot oder auf ihrem eigenen Bauch, auf einer grünen Wiese. Besonders um diese Jahreszeit.
Manche Menschen lesen, wenn sie Knaben sind, ihre Bücher unter der Schulbank.
Manche Menschen lesen überhaupt keine Bücher, sondern kritisieren sie.
Manche Menschen lesen die Bücher am Strand, davon kommen die Bücher in die Hoffnung. Nach etwa ein bis zwei Wochen schwellen sie ganz dick an – nun werden sie wohl ein Broschürchen gebären, denkt man – aber es ist nichts damit, es ist nur der Sand, mit dem sie sich vollgesogen haben. Das raschelt so schön, wenn man umblättert…
Manche Menschen lesen ihre Bücher in… also das muß nun einmal ernsthaft besprochen werden.
Ich bin ja dagegen. Aber ich weiß, dass viele Männer es tun. Sie rauchen dabei und lesen. Das ist nicht gut. Hört auf einen alten Mann – es ist nicht gut. Erstens, weil es nicht gut ist, und dann auch nicht hygienisch, und es ist auch wider die Würde des Dichters, der das Buch geschrieben hat und überhaupt. Gewiß kann man sich Bücher vorstellen, die man nur dort lesen sollte, Völkische Beobachter und dergleichen. Denn sie sind hinterher unbrauchbar: so naß werden sie. Man soll in der Badewanne eben keine Bücher lesen. (Aufatmen des gebildeten Publikums.)
Merke: Es gibt nur sehr wenige Situationen jedes menschlichen Lebens, in denen man keine Bücher lesen kann, könnte, sollte… Wo aber werden diese Bücher hergestellt? Das ist ein anderes Kapitel.
1930
Titelmoden
Früher, als ich meiner Mama die ersten Leihbibliotheksbände aus dem Schrank stibietzte, las ich zuerst immer den Titel – und dann wunderte ich mich. Warum hieß wohl dieses Buch »Herbststürme«? Auf der ersten Seite stand etwas vom Frühling… Und jedesmal, bei jedem Buch, dachte ich: Wirst du auch verstehen, warum, warum dieses Werk nun grade so heißt, wie es heißt? Manchmal verstand ich es nicht, denn der Titel war das, was Wilhelm Bendow früher zu sagen pflegte, wenn er eine besonders gesalzene Sache gesagt hatte: »Symbolisch«.
Wie heißen Bücher –? Kleine Kinder heißen Emma oder Horst, Lydia oder Lottchen … woher die Leute nur immer wissen, wie die Kinder heißen … aber wie heißen Bücher, und warum heißen sie so – ?
Thomas Mann ist es gewesen, der, wenn ich nicht irre, einmal gesagt hat, der anständigste Titel sei noch immer ein Eigenname. Dann heißt das Buch nach der Hauptperson seiner Handlung wie ein Mensch – und den symbolischen Gehalt darf sich der Leser selbst heraussuchen.
Büchertitel sind der Mode unterworfen, wie alles andere.
In grauer Vorzeit hießen Bücher etwa: »Von der grausamen Türken-Schlacht/ so bei Konstantinopul in diesem Jahre stattgeffunden/ und mehr denn dreihunderttausend Menschen erschröcklich umgekommen/ Gettrukkt in diesem Jahre/«. Aber solch ein Buch brauchte man nicht telefonisch zu bestellen.
Ferne sei es von mir, die Damen mit einer Doktorarbeit zu langweilen: »Zur Geschichte des deutschen Büchertitels von Karl dem Großen bis auf die Gegenwart«, denn so heißen wieder nur Doktorarbeiten. Aber wenn man in der Zeit
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