Panter, Tiger und andere
sie…daher die Wut…laßt mich mal was werden, laßt mich bloß mal was werden! – dann kenne ich die Brüder alle nicht mehr! – doch: ich kenne sie…Ich sage dann ganz freundlich, ganz freundlich sage ich: Guten Tag! Na, wie geht’s denn immer? Sind Sie noch im Geschäft, ja? Ich? Ich reise so in der Welt umher… im Winter war ich in der Schweiz, ja, Skisport… im Sommer geh’ ich auf meine Besitzung in Dänemark… Gott, man muß zufrieden sein –«
Ach!
Damit stehn Sie aber nicht vereinzelt da!
So was denkt man von Florenz bis Altona!
Was Sie da so treiben, das hat lange im Gebrauch
der andere auch!
der andere auch!
der andere auch!
Sie sagen im Theater:
Diese Menschen… heiliger Vater!
Jeder einzelne ein Hund, ein krummer –
da bin ich doch eine andere Nummer…
»Nu sieh dir mal die Gesichter hier an! Ein dämliches Pack! Nicht wert, dass man ihnen das Stück hier vorführt… verstehn’s ja doch nicht! – Ich habe heute nachmittag Kirchengeschichte des frühen Mittelalters gelesen, ich beschäftige mich jetzt damit ein bißchen…glaubst du, dass hier ein Mensch höhere Interessen hat? Nicht zehn im ganzen Theater, das sag’ ich dir! – Hübsche Frau da vorn in der Loge…wenn man an die ran könnte…glatt sagte die: ja…sie kennt mich bloß nicht…aber wenn sie mich kennen würde…eigentlich sieht man mir ja schon an, dass ich was Besseres bin, nicht so wie die ändern…«
Ach!
Damit stehn Sie aber nicht vereinzelt da!
So was denkt man von Florenz bis Altona!
Was Sie da so treiben, das hat lange im Gebrauch
der andere auch!
der andere auch!
der andere auch!
1931
Ideal und Wirklichkeit
In stiller Nacht und monogamen Betten
denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.
Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,
was uns, weil es nicht da ist, leise quält.
Du präparierst dir im Gedankengange
das, was du willst – und nachher kriegst dus nie…
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke –
C’est la vie –!
Sie muß sich wie in einem Kugellager
in ihren Hüften biegen, groß und blond.
Ein Pfund zu wenig – und sie wäre mager,
wer je in diesen Haaren sich gesonnt…
Nachher erliegst du dem verfluchten Hange,
der Eile und der Phantasie.
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke –
Ssälawih –!
Man möchte eine helle Pfeife kaufen
und kauft die dunkle – andere sind nicht da.
Man möchte jeden Morgen dauerlaufen
und tut es nicht. Beinah … beinah…
Wir dachten unter kaiserlichem Zwange
an eine Republik… und nun ists die!
Man möchte immer eine große Lange,
und dann bekommt man eine kleine Dicke –
Ssälawih –!
1929
Die fünf Sinne
Fünf Sinne hat mir Gott, der Herr, verliehen, mit denen ich mich zurechtfinden darf hienieden:
Fünf blanke Laternen, die mir den dunkeln Weg beleuchten; bald leuchtet die eine, bald die andre niemals sind alle fünf auf dasselbe Ding gerichtet… Gebt Licht, Laternen –!
Was siehst du, Walt Wrobel –?
Ich sehe die entsetzliche obere Häuserfront der Berliner Straßen, unerbittlich, scharf liniiert, schwärzlich kasernenhaft;
ich sehe neben dem unfreundlichen Mann am Schalter die kleine schmutzige Kaffeekanne, aus der er ab und zu einen Zivilschluck genehmigt;
ich sehe das Skelett des Tauchers, ausgestreckt auf dem Meeresgrund, der Taucherhelm ist aufgeplatzt, und durch die Luken des untergegangenen Schiffs fliegt ein Schwarm Fische an die ehemalige Bar, sie rufen: »Sherry-Cobler –!«;
ich sehe den ehrenwerten Herrn Appleton aus Janesville (Wisconsin) auf der Terrasse des Boulevard-Cafés sitzen, lachende Kokotten bewerten ihn mit Bällchen, er aber steckt seinen hölzernen Unterkiefer hart in die Luft;
ich sehe das blonde Gesicht des jungen Diplomaten, der mit nachlässigem Monokel erzählt: »Seinerzeit, während der sogenannten Revolution …«; ich sehe den kleinen Jungen vor der Obsthandlung stehen und sein Pipichen machen, nachher stippt er den Finger hinein und malt Männerchen aufs Trottoir, das ist nicht hübsch von dem Kind – Das sieht mein Gesicht.
Was hörst du, Walt Wrobel –?
Ich höre den Küchenchef in der französischen Restaurant- küche rufen: »Ils marchent: deux bifteks aux pommes! Une sole meunière!« Und vier Stimmen unter den hohen weißen Mützen antworten: »Et c’est bon!«; ich höre einen Ton in meinen Ohren klingen, mitten im Ge- spräch, wie eine Mahnung, wie eine Erinnerung, wie einen Trost; ich höre
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