Panther
Duane hatte sie abgebissen und hinuntergeschluckt.
Da scheint es ein Muster zu geben, dachte Dr. Dressler.
Das Rätsel, wieso jemand wie Duane Scrod junior überhaupt in die Truman School aufgenommen worden war, klärte sich, als Dr. Dressler auf ein Schreiben eines seiner Vorgänger stieß. Aus diesem Brief ging hervor, dass die Schule eine bedeutende Barspende von Duanes wohlhabender Großmutter erhalten hatte, die auch für das Schulgeld aufkam. Dr. Dressler schloss daraus, dass es für die Truman School und ihre weitere finanzielle Lage gar nicht gut wäre, wenn Duane junior ernstlich erkranken sollte, weil er Mrs. Starks Bleistift verspeist hatte. Er legte also die Akte beiseite, ging eher lustlos zum Parkplatz hinüber und stieg in sein Auto. Mithilfe seines nagelneuen Navigationsgeräts fand er zum Haus von Mr. Duane Scrod senior.
Das rohe Blockhaus stand an einer nicht geteerten Straße, die durch ein Kiefernwäldchen am Rande von Naples führte. Als Dr. Dressler dort ankam, war die Sonne bereits untergegangen und nächtliche Insekten schwirrten herum. In der Einfahrt stand eine ganze Reihe von Fahrzeugen, die allerdings alle keinen gepflegten Eindruck machten. Ein ramponierter Pick-up, ein Motorrad mit verbogenem Lenker, ein aufgebocktes, lehmbespritztes Quat, ein zerbeulter Minivan, dem zwei Türen fehlten, und ein Geländewagen, auf den jemand mit leuchtend orangeroten Buchstaben geschrieben hatte: BOYKOTTIERT SMITHERS CHEVY!!!!!
Im Haus brannte nirgends Licht, aber aus den geöffneten Fenstern an der Straßenseite tönte klassische Musik, was Dr. Dressler für ein gutes Zeichen hielt. Es war ein Konzert von Johann Sebastian Bach. Der Schulleiter rückte seine Krawatte zurecht und läutete. Als niemand öffnete, klopfte er mehrmals. Nach einer Weile erschien hinter der Fliegentür ein schlanker, unrasierter Mann in Jagdkleidung, barfuß und mit roter Truckermütze.
»Sind Sie von der Regierung?« Der Mann zeigte aggressiv mit einer rostigen Zange auf Dr. Dressler. »Wenn es um die Steuern geht, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn ich Ihnen hiermit die Lippen abziehe und sie an meinen Vogel verfüttere. Ich hab einen Ara, der drei Sprachen spricht.«
Dr. Dressler kämpfte gegen den Impuls an wegzurennen. »Ich bin v-v-von der Truman School«, stammelte er. »Sind Sie Duanes Vater?«
»Bin ich«, sagte der Mann. »Können Sie sich ausweisen?«
Nervös kramte Dr. Dressler in der Innentasche seines Jacketts nach einer Visitenkarte. Duane Scrod senior riss sie ihm aus der Hand, verschwand damit im Haus und kehrte erst mehrere Minuten später zurück. Auf seiner linken Schulter saß ein großer Vogel mit leuchtend blaugoldenem Gefieder. Mit seinem verkrusteten gebogenen Schnabel zerfetzte der Ara gerade Dr. Dresslers Visitenkarte.
Duane Scrod zog die Fliegentür auf und hielt sie mit einem Knie halb auf. »Was hat D.J. jetzt wieder angestellt?«, fragte er.
»D.J.?«
»Duane junior. Es muss was Schlechtes sein, (a) weil Sie hier sind und (b) weil er nicht hier ist. Wollen Sie reinkommen?«
Dr. Dressler schüttelte den Kopf und bedankte sich höflich. »Ihr Sohn hatte heute – nun, nennen wir’s eine Meinungsverschiedenheit mit einer seiner Lehrerinnen. Wenn ich richtig verstanden habe, ging es um Hausaufgaben.«
»Und das soll nun so weltbewegend sein?« Wenn Duane Scrod senior lachte, lachte der Ara auch. Eine perfekte Imitation, die Dr. Dressler ziemlich gruselig fand. Er sah ein, dass es ein Fehler gewesen war, hierherzukommen. Duane junior hatte seinem Vater offensichtlich nichts von dem Vorfall in der Schule erzählt, und es sah auch nicht so aus, als hätte er das noch vor, selbst wenn es ihm mit dem Bleistift im Bauch hundeelend gehen sollte.
»Mir ist ja nicht klar, wieso Sie den ganzen Weg hier raus gekommen sind«, brummte Duane Scrod senior. »Hat meine liebe alte reiche Ex-Schwiegermutter in der Schule angerufen oder so? Ihnen Feuer unterm Hintern gemacht?«
»Nein, Mr. Scrod, das war meine Idee.« Dr. Dressler konnte es kaum erwarten, wieder zu gehen. »Ich wollte nur nach Ihrem Sohn sehen. Seine Version der Geschichte hören. Klarstellen, wie wir es in der Schule mit den Hausaufgaben halten, damit es in Zukunft keine Verwirrung mehr gibt, was die Pflichten der Schüler angeht.«
»Verwirrung?« Duane Scrod senior lachte höhnisch auf, und sein Ara machte es ihm sofort auf seine unheimliche Art nach. »D.J. ist nicht verwirrt. D.J. ist einfach
Weitere Kostenlose Bücher