Panther
wartete auf Nachricht von seinem Vater, der als Kapitän der Reserve seit sieben Monaten im Irak stationiert war, in der Provinz Anbar.
Nicks Dad mailte fast jeden Morgen, aber jetzt hatten Nick und seine Mutter bereits seit drei Tagen nichts mehr gehört. Das war schon einmal vorgekommen, als der Vater mit seiner Einheit auf einer Feldmission war. Nick versuchte, sich keine Sorgen zu machen.
Seine Mom hatte noch Dienst im Gefängnis von Collier. Sie machte um halb fünf Feierabend und war normalerweise spätestens um Viertel nach fünf zu Hause. Nick blieb noch eine Weile am PC sitzen, recherchierte ein bisschen für eine Englisch-Hausaufgabe und sah alle paar Minuten nach, ob vielleicht doch eine Mail eingegangen war. Als seine Mutter zur Tür hereinkam, hatte Nick noch immer keine Nachricht von seinem Vater.
»Wie war’s in der Schule?«, fragte seine Mom.
»Einer aus dem Biokurs hat den Bleistift von Mrs. Stark gegessen«, sagte Nick. »Nicht zu fassen. Er hat ihr direkt aus der Hand gefressen.«
»Hatte er einen Grund?«
»Er war sauer, nehme ich mal an. Sie hat sich lustig gemacht über so einen dicken, fetten Pickel in seinem Nacken.«
Nicks Mutter knallte ihre Handtasche auf den Küchentresen. »Kannst du mir vielleicht verraten, wieso wir so ein Schweinegeld dafür bezahlen, dass du auf eine Privatschule gehen kannst?«
»Meine Idee war das nicht«, erinnerte sie Nick. »Kleinere Klassen vielleicht?«
»Das war ein Grund.«
»Bessere Lehrer, habt ihr gemeint.«
»So hatte man uns das gesagt.«
»Und weniger Freaks«, fügte Nick hinzu.
»Richtig.« Seine Mutter runzelte die Stirn. »Und jetzt kommst du und erzählst mir, ein Junge in deinem Biokurs hält sich für einen Holzwurm.«
»Eher für einen Biber«, sagte Nick. »Aber Mrs. Stark hätte sich auch nicht über ihn lustig machen dürfen. Mit einem wie ihm sollte man sich nicht anlegen.«
Nicks Mutter nahm eine Flasche Multivitaminsaft aus dem Kühlschrank und goss sich ein kleines Glas ein. »Wie heißt er denn, euer Bleistiftschlucker?«, fragte sie.
»Du kennst ihn nicht. Duane Scrod.«
»S-c-r-o-d geschrieben?«
»Ja, richtig«, sagte Nick.
»Dann muss das Duane Scrod junior sein. Ich kenne seinen Vater, Duane senior.«
»Aus dem Knast?«
Seine Mom nickte. »Er hat sechs Monate bei uns abgesessen, weil er die Chevrolet-Niederlassung in Port Charlotte abgefackelt hat, und das nur, weil sein Tahoe mit einem Getriebeschaden auf der Alligator Alley liegen geblieben ist.«
Kein Wunder, dass Smoke so ist, dachte Nick. Wenn schon sein Alter so durchgeknallt ist.
»Was gibt’s zum Essen?«, fragte er seine Mutter.
»Spaghetti, Spaghetti oder Spaghetti.«
»Dann nehme ich doch mal die Spaghetti.«
»Ausgezeichnete Wahl.«
»Hattest du heute auf der Arbeit eine Mail von Dad?«
»Nein. Du?«
»Bisher nicht«, sagte Nick.
Seine Mutter rang sich ein Lächeln ab. »Mach dir keine Sorgen. Vermutlich ist er nicht im Basislager.«
»Ich schau noch mal nach.«
»Lass uns erst mal essen, Nick. Weißt du was? Ich habe eigentlich keine Lust auf Pasta. Wir könnten doch was essen gehen, in irgendein Grillrestaurant.«
»Bist du sicher, Mom?«
»Absolut sicher«, sagte sie und trank ihren Saft aus. »Wie spät ist es jetzt im Irak?«
»So gegen halb zwei nachts.«
»Dann schläft er bestimmt.«
»Ja«, sagte Nick. »Ich wette, er schläft. Und ich wette, morgen hören wir von ihm.«
Dr. Dressler, der Schulleiter, war ein stets gut gekleideter, umsichtiger und sanftmütiger Mann. Am besten ging es ihm, wenn an der Truman School alles glattlief und Harmonie herrschte. Wenn es aber Unruhe gab und Schüler und Lehrer abgelenkt waren, ging es ihm gar nicht gut.
»Erzählen Sie mir noch mal genau, was vorgefallen ist«, sagte er gerade zu Mrs. Stark.
Sie hielt den halb gegessenen Bleistift hoch. »Der junge Mann hat ernste Probleme – er hat seine Emotionen nicht unter Kontrolle«, sagte sie.
Dr. Dressler besah sich das Beweisstück genau. »Und Sie sind sicher, dass er den Rest nicht ausgespuckt hat?«
»O nein, er hat alles runtergeschluckt«, berichtete Mrs. Stark. »Ohne jeden Zweifel.«
»Warum haben Sie ihn nicht auf die Krankenstation geschickt?«
»Weil er einfach aus dem Klassenzimmer gestürmt ist«, sagte sie. Und missbilligend fügte sie hinzu: »Sechzehn Minuten vor dem Läuten. Sechzehn volle Minuten.«
»Die Splitter könnten innere Organe schädigen –«
»Darüber bin ich mir durchaus im Klaren,
Weitere Kostenlose Bücher