Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See
Lanneville mehr und mehr wie ein hohlköpfiges Küken. Aber ich hatte nun mal mein Versprechen gegeben, sie zu heiraten, und daran wollte ich mich halten. Heimlich hatte ich ge hofft, sie, wenn sie erst ein mal meine Frau wäre, zu einer vernünftigen Person erziehen zu können.«
»Katzen, Ron, und Frauen kann man nicht erziehen.«
»Ich weiß, Janed. Inzwischen weiß ich es. Ich sagte doch, dass ich ein bornierter Schnösel war, und Paris weckte nur noch mehr schnöselige Seiten in mir.«
»Aber Pa ris ist sicher eine faszinierende Stadt. So groß und schön und … Ich wäre so gerne mal hingefahren.«
»An manchen Stellen ist die Stadt schön und groß, aber sie hat auch ihre dunklen Seiten. Mich hat sie nicht glücklich gemacht. Gleich wohl – ich fuhr in den Semesterferien zusammen mit Auguste nach Carnac. Ich hatte ihm versprochen, ihm das Segeln beizubringen. Mein Onkel besaß ein hübsches Bötchen …«
»Die Stella.«
»Ebendiese. Meine Eltern waren in diesem Sommer zur Kur nach Fougère gefahren, denn meine Mutter hatte sich im Frühjahr eine böse Grip pe zuge zogen, und der Arzt hatte ihr die Bäder empfohlen. Also zog Auguste bei uns ein, und wir verbrachten manchen Tag zusammen auf dem Meer. Er war kein besonders geübter Segler, aber er hatte den Ehrgeiz, immer öfter alleine hinauszufahren. Sagte er. Aber dann flüsterte mir jemand zu, dass ihn seine Fahrten nicht eben weit führten. Bis zum Felsbogen nur, und dort, an der alten Schäferhütte, habe man recht häu fig Mademoiselle de Lannevilles Pferd gesehen. Ich wollte es nicht recht glauben, aber dann wuchs die Neugier, und ich ritt ebenfalls hinaus. Genau an dem Nach mittag, als er wie der ein mal das Boot ausgeliehen hatte.«
»Und du trafst die beiden natürlich an der Hütte.«
»Richtig, ich traf sie, und zwar nicht bei tiefsinnigen Gesprächen, Janed. Es war ziemlich eindeutig, dass mein bester Freund mich mit mei ner Verlobten betrog. Was du gesehen hast, war unsere Auseinandersetzung. Ich sah rot vor Wut und schlug ihn nieder. Er wehrte sich, es gab ein Gerangel, Mademoiselle schrie, wollte dazwischengehen, Auguste rutschte aus, trat ihr im Fallen gegen die Schienbeine, und sie stürzte rücklings über die Klippen.«
»Ja, so sah ich es. Und dann wart ihr plötzlich alle drei verschwunden.«
»Glaub mir, Janed, wir wa ren auf der Stel le ernüchtert. Unser Streit war vergessen; wir kletterten so schnell wie möglich nach unten, um ihr zu helfen. Ich weiß gar
nicht, wie wir es geschafft haben, ohne ebenfalls zu stürzen. Unten in dem Felsspalt toste die Brandung herein, der Stein war glatt, feucht und glitschig. Meine Verlobte lag über einem Felsbrocken, die Wellen drohten sie schon hinauszuziehen. Wir bar gen ih ren leblosen Körper, und Auguste, zitternd und völlig entsetzt, meinte, er wolle mit der Stella nach Porz Guen segeln, um Hilfe zu holen. Ich hielt das nicht für eine besonders gute Idee, aber er war schon fort, bevor ich protestieren konnte. Also versuchte ich Mademoiselle de Lanneville aufzuwecken, doch mir wurde sehr schnell klar, dass alle mei ne Bemühungen vergeblich sein würden. Sie war mit dem Hinterkopf auf einen spitzen Felsen geschlagen.«
»Und dann kamen der Korbflechter und die Bäuerin und andere, die ich um Hilfe gebeten hatte. Sie fanden dich bei ihr, und die Gerüchte nahmen ihren Lauf.«
»So war es, Janed.«
»Aber du hast sie nicht umgebracht, Ronan. Wa rum nur bist du fortgegangen?«
Ich öff nete ein Auge, weil Ron nicht di rekt antwortete. Er strich sich mit den Händen über die Stirn und seufzte dann.
»Janed, ich war fast von Sinnen. Meine Eltern waren nicht da. Der alte Lanneville schrie mich an, nannte mich Mörder, Auguste hatte mich nicht nur betrogen, sondern auch verraten. Er hatte sich schmäh lich durch Flucht der Verantwortung entzogen. Ich packte wütend und gedemütigt seine Sachen zusammen und schickte sie am nächsten Tag ohne ein begleitendes Wort an seine Eltern zurück. Ich wurde vernommen, aber wieder auf freien Fuß ge setzt, weil man mir nichts nachweisen
konnte. Aber kein Mensch glaubte mir, nie mand stand mir zur Sei te. Ich schrieb mei nen Eltern ei nen Abschiedsbrief und machte mich auf den Weg nach Cherbourg, um dort auf dem erstbesten Schiff als Matrose anzuheuern. Einem Frachtdampfer, der nach Amerika fuhr.«
»Aber …«
»Ich unterschrieb mit mei nem vol len Namen, aber ich sagte den Leuten, sie sollten mich Ron Cado nennen.«
»Und deine
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