Papa To Go
bevor die Spaghetti das Salzwasser auch nur ansatzweise gesehen haben, der Duft des Rotweins deine Nase erobert hat und du die Entspannungsposition auf der Sitzbank erreicht hast, bricht aus dem bis dato stummen Kinderwagen ein Geschrei aus, das nicht mal »Monster Magnet« wagen würden zu intonieren. Dein Herz rast, deine Gesichtsfarbe changiert von Käseblässe zu Pierre-Brice-Röte, Gelassenheit scheint ein schlechter Berater zu sein, und panisch versuchst du, den Schreihals zu beruhigen. Alle Tricks scheitern. Die ersten Gäste sehen sich nach dir um. Du nimmst kein Mitleid in ihren Mienen wahr, kein Verständnis, nur Hass, genervte Blicke, Giftpfeile aus stechenden Augen treffen dich im Schaltzentrum deines Eindämmungsdrangs. Raus hier. Nur noch raus hier, denkst du und stocherst Geld suchend in deinen Hosentaschen herum. Von deiner Nase perlt ein Schweißtropfen ab, dein Haaransatz ist schon nass, und in deinem olivfarbenen T-Shirt zeichnen sich apfelsinengroße Schweißflecken im Achselareal ab. Fuck, hätte ich doch ein weißes T-Shirt angezogen - auch das noch!
Der Slalom zum Ausgang. Wie vom Volk bespuckt und getreten gleicht dein Abtritt dem Verstoß eines Geächteten, der einen Bastard im Wagen vor sich rausschiebt. Es ist das Grauen. Aber es wird kommen und dir widerfahren. So lass mich dazu mal wieder tief in die Floskelkiste langen: Übung macht den Meister. Keine Scheu und rein da! Anfangs würde ich mal am Tag, während dein Baby im Kinderwagen schläft, einen Kaffee trinken gehen. Gleich bezahlen - ganz wichtig. So kommst du schon mal wieder rein ins normale Leben. Dann lässt sich darauf aufbauend mal ein Snack im Schnellrestaurant einnehmen. Geht auch gut? Na los. Aus Angst wird Vertrauen. Jetzt kann nichts mehr passieren. Und wenn es dir unangenehm ist, dass ihr in deinem Stammlokal
immer die gleichen Leute malträtiert, dann fahrt doch für ein Wochenende in eine andere Stadt und trainiert dort. Tut dir und deiner Partnerin ohnehin mal gut, so ein Tapetenwechsel.
Stillen in der Öffentlichkeit
Wenn du dich mit deiner Partnerin in ein Lokal wagst, um eine Kleinigkeit zu essen oder zu trinken, dann denke daran, ein Tuch mitzunehmen. Dieses kannst du schnell aus der Tasche zaubern, wenn der Getränkestand den Muttermilchtank freilegen will, um zu stillen. Solltest du es irgendwie verhindern können, bitte nicht mitten im Lokal stillen lassen ohne einen Sichtschutz.
Mir ist folgende, wirklich schreckliche Geschichte widerfahren, die mir arge Seelenpein zugefügt hat. Als unsere Tochter ungefähr fünf Monate alt war, waren meine Frau und ich bei Freunden zum Sonntagmorgen-Brunch eingeladen. Eine illustre Runde trafen wir dort an, unter anderem eine Frau der Gastgeberin, die gerade vor vier Wochen zum zweiten Mal Mutter geworden war. Ich unterhielt mich angeregt mit ihr im Stehen, direkt vor dem Büfett. Ich hielt meine Tochter im Arm, sie ihr Neugeborenes. Plötzlich fing ihr kleines Paket gellend an zu schreien. Während sie rasend schnell, fast atemlos irgendeine furchtbar informative Geschichte herunterratterte, entblößte sie eine grässlich anzusehende, riesige bleiche Brust, die schwerfällig aus dem Still-BH-Korb plumpste, rammte ihr unschuldiges Kind mitten in das üppige, weiße Fleisch und redete ohne Unterlass weiter, in diesem nicht überholbaren, schnellen Tempo und immer noch mit diesen vielen Informationen. Krampfhaft versuchte ich bei diesem beängstigenden Vorgang, den Augenkontakt mit ihr zu halten, eben weil sie mit ihren großen, stierenden Augen meinen Blick wie im
Schwitzkasten hielt. Sie wollte mich offensichtlich dabei überprüfen, ob ich nicht irgend so ein Tittenspanner bin, der sich darum prügelt, als ständiger Gastgaffer mit zum wöchentlichen PEKIP-Kurs zu kommen, und nach der gemeinsamen Still-Runde giert. Na ja, das Potenzial wäre da gewesen, aber spätestens seit dieser Vergewaltigung des guten Geschmacks und des respektvollen Umgangs miteinander belasse ich meine voyeuristische Triebhaftigkeit in den eigenen vier Wänden.
Reisen mit Kind
Du tust der Welt einen ganz großen Gefallen, wenn du dir den Aufkleber »Baby an Bord« verkneifst. Ebenso bitte ich dich inständig, die übrige Menschheit nicht mit dem auf der Heckscheibe aufgeklebten, lustig illustrierten Namen deines Sohnes und/oder deiner Tochter zu penetrieren. Das ist ein Verbrechen, nur kurz vor der Gräueltat. Ähnlich stillos wirken diese bunten Sonnenrollos für die Rückbank-Seitenscheiben,
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