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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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leid.«
    »Nicht so wild.«
    Wieder lachte die Chinesin. Es klang seltsam gekünstelt, aber auch das hatte Michelle schon in anderen Restaurants erlebt. »Vom Buffet?«
    Michelle nickte. »Ja, bitte. Wo kann ich mich hinsetzen? Irgendwo?«
    Die Chinesin nickte kurz mit eingefrorenem Lächeln. »Ja, irgendwo.«
    Michelle suchte sich einen Platz, vom dem aus sie die Theke und vor allem die dahinterliegende Tür beobachten konnte. Von dort aus schien man in die Privaträume zu gelangen.
    Das Codewort geisterte kontinuierlich durch ihren Kopf. Es drängte sich mehr und mehr in den Vordergrund, aber im Moment wollte sie nur die Lage checken.
    Seit die Chinesin aufgetaucht war, hörte ihr Herz nicht mehr auf zu trommeln. Sie war nicht Toms Opfer gewesen, da war Michelle sicher, auch wenn die Verhandlungen, in denen Ya-Long ausgesagt hatte, über zwei Jahre her waren.
    Die Chinesin, die sie suchte, war schlank und hochgewachsen, mit feinen, harten Gesichtszügen. Diese hier war eher gedrungen.
    »Was trinken?«
    Es brauchte nur diese Frage, damit Michelle sich fühlte, als kochte sie in einem Kessel voller Öl. Sie spürte, wie ihr ein Schweißtropfen den Arm hinunterlief. Würde sie jetzt mit »Champagner« antworten, würde es losgehen. Offenbar wurde in chinesischen Restaurants selten Champagner bestellt.
    Die Chinesin wartete geduldig. In ihren Augen stand völlige Gleichgültigkeit. Sie wirkte nicht angespannt, nur wie eine Bedienung, die auf eine Antwort wartete.
    Sie wartet auf das Codewort, Michelle. Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie diese Leute mit dir umgehen werden, wenn sie auch nur ahnen, was du vorhast? Geh lieber wieder nach Hause. Gib den Brief der Polizei und fange an, zu beten. Vielleicht hilft’s!
    Michelle schüttelte den Kopf, stellte ihre Handtasche, die sie über den Stuhl gehängt hatte, auf den Schoß, öffnete sie und griff hinein.
    Zwischen ihrem Portemonnaie, einer Parfümflasche und einigem Kleinkram lag der Taser, den sie sich zugelegt hatte, nachdem Tom verhaftet wurde. Ganz sachte schlossen sich ihre Finger darum. Man wusste nie, was passieren würde.
    »Nicht trinken?«, fragte die Bedienung erstaunt.
    Michelle versuchte, freundlich zu schauen. »Doch, natürlich. Entschuldigung. Erst mal ein Wasser, danke schön.«
    Die Chinesin watschelte davon. Michelle sank im Stuhl zusammen und ließ den Taser los. Sie rutschte hin und her, fand keine bequeme Position und wäre am liebsten aufgestanden und gegangen, doch das konnte sie sich nicht leisten. Sie hatte eine Mission, und bisher saß sie lediglich in einem Restaurant. Es gab keinen Hinweis auf eine Untergrundorganisation, keinen auf Toms Chinesin. Doch es musste ihn geben. Irgendwo versteckt zwischen all dem Kitsch und billigen Prunk.
    Das Buffet war im Raum nebenan. Michelle hätte sich lieber übergeben, statt etwas zu essen, aber sie wollte sich zumindest alles ansehen. Noch bevor ihr Wasser kam – was ungewöhnlich lange dauerte –, stand sie auf und ging in den Nebenraum.
    Die Speisen dampften in Metallschalen, die rings um eine Mittelkonsole aufgereiht waren. Auch hier war niemand zu sehen. Sie schnappte sich einen Teller und legte sich ein wenig Rindfleisch und gebratene Nudeln darauf. Schon der Duft des Essens reizte ihren Magen, sich umzustülpen. Sie versuchte, es zu ignorieren, und ging zurück zu ihrem Tisch, auf dem inzwischen das Glas Wasser stand. Sie setzte sich und nahm einen kräftigen Schluck. Herrliche Kälte flutete ihren Magen, und einen Moment lang ging es ihr besser.
    Willst du bis in alle Ewigkeit hier sitzen bleiben? Entweder tust du, weshalb du hier bist, oder du gehst zurück zum Auto.
    Scharfe Sauce lief über die mundgerechten Rindfleischstückchen und vermischte sich mit den Nudeln. Das schummrige Licht verlieh dem Essen einen künstlichen Glanz, als wäre es mit Wachs überzogen.
    Michelle hielt es nicht mehr auf dem Stuhl. Sie schnappte sich die Handtasche und sprang auf. »Hallo?«
    Niemand antwortete. Sie ging zur Kasse und spähte durch die Tür dahinter, doch ein Samtvorhang versperrte ihr die Sicht. »Hallo?«
    Der Vorhang schwang ein klein wenig zur Seite, und die pummelige Bedienung erschien. »Ah«, sagte sie, gespielt freundlich, »noch ein’ Wunsch?«
    Michelle atmete so unauffällig wie möglich durch, um ihrer Stimme eine feste Grundlage zu geben. »Ja«, sagte sie, viel unsicherer als beabsichtigt. »Ich hätte gern Champagner.«
    Das Codewort, das ihr der Mann am Telefon genannt hatte.

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