Papa
trat nervös auf der Stelle. Das war für Robert ein deutliches Zeichen, dass er zu weit gegangen war, auch wenn er recht hatte. Er kniff die Lippen zusammen und schloss einen Moment die Augen. »Tut mir leid. Das alles wächst mir über den Kopf.«
»Wir haben alles im Griff, Robert. Wir suchen fieberhaft nach der Kleinen. Früher oder später kriegen wir ihn, und dann kommt er nicht mehr mit einem Klinikaufenthalt davon.«
»Dieses
später
ist es, was mir Kopfzerbrechen macht. Ried weicht von seinem Schema ab. Bisher hat er keines seiner Opfer missbraucht. Er ist auf Rache aus. Das heißt, er handelt überlegt, ist uns immer voraus. Er spielt mit uns, legt uns Fährten, damit er in Ruhe seinen Plan durchziehen kann. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um das Mädchen zu retten. Und was mit Maik ist, daran mag ich gar nicht denken.«
»Lass uns unsere Arbeit machen. Wir finden Maik, und wir retten auch das Mädchen, solange du uns nicht dazwischenfunkst.«
Was für ein Sturkopf. Am liebsten hätte Robert ihn ordentlich durchgeschüttelt. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging zu seinem Auto.
Er hatte nur zwei Anlaufstellen. Zuerst musste er Michelle aus der Schusslinie holen, und dann würde er sich noch einmal dieses falsche Huhn vornehmen. Frau Dr. Kramme wusste etwas, und jetzt, wo er quasi kein Polizist mehr war, konnte er sie in die Mangel nehmen.
Er stieg ein und fuhr los.
Die Zeit ließ sich nicht verlangsamen. Es blieb ihm nur, herauszuholen, was ging. Und das würde er.
[home]
Kapitel 29
I ch habe sie nicht getötet.« Michelle saß am Küchentisch und sagte diesen Satz immer wieder, doch deshalb klang er nicht glaubhafter. »Ich habe sie nicht getötet.«
Das glaubst du doch nicht wirklich? Hast du gehört, wie ihr Gesicht geknirscht hat? Ihr Kopf ist geplatzt wie eine Nuss.
Nein, ich habe nicht fest zugeschlagen. Sie hat nur das Bewusstsein verloren. Das ist alles.
Vor ihr standen eine Flasche
Wild Turkey
und ein leeres Wasserglas. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Die Jalousien im Haus waren heruntergelassen. Die Luft roch muffig. Seit Tagen hatte sie nicht mehr gelüftet.
Und selbst wenn, du hast sie ihm ausgeliefert. So oder so, deinetwegen ist sie jetzt tot.
Nur die Lampe der Dunstabzugshaube leuchtete, so dass ein Großteil des Raums im Dunkeln verschwand. Dorthin würde sie ihren Verstand heute auch noch verbannen.
Fast automatisch griff ihre Hand nach der Flasche und goss etwas in das Glas, das schon eine Weile darauf wartete, benutzt zu werden. Sie führte es zum Mund und nahm einen kräftigen Schluck. Der Alkohol war derzeit der beste Freund, den sie hatte.
Nur zu, besauf dich. In dieser Situation ist das ganz bestimmt die beste Entscheidung. Mit benebeltem Kopf kannst du Lilly viel besser retten.
Sie nahm noch einen Schluck. Würde Tom merken, dass er die falsche Person bekommen hatte?
Nun, am Gesicht zumindest wird er sie nicht erkennen.
Aber vielleicht an anderen Dingen? Wenn Tom klar wurde, dass Michelle ihn betrogen hatte, würde er Lilly töten.
Na komm, trink noch einen. Das ist der gute
Rare Breed
. 54 Prozent pures Vergessen. Steck den Kopf in den Sand und gib auf. Du hattest eh nie eine Chance. Du warst damals ein Opfer und bist es noch heute. Das wird sich nicht ändern.
Michelle schüttelte den Kopf und nahm noch einen Schluck.
Der
Wild Turkey
tat seine Wirkung. Er tanzte sich brennend durch den Rachen direkt in den Ballsaal ihres Gehirns. Immer schneller drehte er sich, fegte alles beiseite, was im Weg stand, bis es nur noch ihn gab. Ihn und eine Michelle, der elend zumute war.
Mit einem Wisch fegte sie das Glas vom Tisch. Nein, sie war kein Opfer. Nie wieder würde sie ein Opfer sein. Diese Chinesin, diese Rain, hatte es verdient, getötet zu werden.
Und Tom auch.
So lange hatte sie in ihrem Versteck gewartet. Darauf, dass er seine Chinesin abholte, dass sie ihn von hinten mit ihrem Taser überraschen konnte, aber er war nicht gekommen.
Es wäre auch zu einfach gewesen. Nur wie sollte sie jetzt an ihn herankommen?
»Wo steckst du, Tom? Du mieser Drecksack. Wenn ich dich in die Finger kriege, das schwöre ich, wird von dir nichts mehr übrig bleiben, was man identifizieren könnte.«
Mit dem Kopf auf der Tischplatte wartete Michelle, bis der Truthahn ausgetanzt hatte. Dann griff sie den Umschlag aus dem Briefkasten, der nun vor ihr auf dem Tisch lag. Sie riss ihn auf und zog den Zettel heraus. Mit trockener Zunge leckte sie sich über die
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